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Wasserwelten

Wasserwelten

Titel: Wasserwelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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ausgerechnetda, wo eine ablandige Strömung ging. Bultjohann erwartete ihn, und wie es seiner Art zu fragen entsprach, wollte er von Ole lediglich wissen, ob das, was Ole ins Wasser geworfen hatte, die Fische unter Maß gewesen seien. Ja, sagte Ole, und mehr brauchte er nicht zu sagen.
    Mehr mochte er auch nicht sagen, denn die Wut über die Flaschen, die er nie mehr wiedersehen würde, hielt ihn vollkommen besetzt. Er trug die Fische nach Hause und überlegte, wie und womit er es Bultjohann heimzahlen könnte, und weil er immer dem ersten, wenn auch nicht immer dem besten Einfall nachgab, entschied er sich dafür, ein Stück Stacheldraht abzuknipsen und es in der Radspur des Gendarmen auszulegen. Zu seinem Pech aber erschien Bultjohann in der nächsten Nacht von der Seeseite, in einem schnellen Boot kam er heran, und da er kein Mann von vielen Worten war, packte er schweigend mit an, um die Flaschen aus dem Netzsack zu holen. Danach bat er Ole, in sein Boot umzusteigen, bot ihm ein wenig Pfeifentabak an und brachte ihn in Sicherheit, zur Station. Daß er bald darauf mal seinen Schlauch flicken mußte, machte ihm nichts aus; er mußte es von Zeit zu Zeit immer wieder tun.
    Du denkst an diese oder an eine andere vergleichbare Geschichte und vergißt nicht, das Stückchen Stacheldraht aufzuheben und mitzunehmen, ebenso wie die herausgerosteten, jeder Ferse drohenden Eisenteile aus dem einst schönen Topf, einem Stück des sogenannten Staatsgeschirrs, das benutzt wurde, wenn der Kapitän des Gaffelschoners »Margarethe« seinen Reeder bewirtete. Ichkann nicht anders: alles, was sticht, was schneidet, was pikt und sich in den Zehballen einbohrt, muß ich hier draußen aufsammeln und forttragen – dorthin, wo ein nackter Fuß garantiert nicht tritt. Sauber soll mein Strand nicht sein, wohl aber frei von allem Krempel, den wir achtlos verstreuen.
    Nein, es geht nicht ohne Erbitterung ab. Es scheint zuviel, sich ein unversehrtes Meer zu wünschen. Weil einige mehr oder noch mehr verdienen wollen, richten sie zugrunde, was allen gehört. Da liegt er, der tote Alk, mit verklebtem Gefieder, Öl in seinen Lungen, verpestet sein Inneres. Du nimmst den armen Körper auf und weißt nicht, wem du deine Empörung zeigen sollst, denn der, der sein Schmutzöl auf freier See abgelassen hat, ist schon hundert Meilen entfernt, bald wird er belobigt werden für kostensparende Transaktion. Der kleine tote Wasservogel, den das Wetter fast zur Chiffre gedorrt hat, läßt uns nicht so hadern und empört sein; wir wissen, welch ein fortwährendes Risiko das erfahrene und unerfahrene Leben am Meer läuft, und wenn wir auch die Tribute beklagen, die es entrichten muß, so finden wir uns doch eines Tages mit ihnen ab. Es hat keinen Zweck, den Balg ins Meer zurückzuwerfen, es wird ihn früher oder später an Land spülen: da, seht, so geht ihr mit allem um, was sich nicht wehren kann. Und du fragst dich, warum wir einige Verbrechen nachsichtiger behandeln als andere, fragst dich auch, warum entsprechende Gesetze auf sich warten lassen. Nun erregt euch doch nicht so, war in einer Frankfurter Zeitung zu lesen, noch gibt es ja Fischein den Geschäften an der Küste. Der Mann war offensichtlich nicht zugegen, als die zwergwüchsigen, die verkrümmten, die von den Schwermetallwunden bedeckten Fische bereits auf See ausgesondert wurden.
    Vergiß deinen Zorn nicht, während du dich über die schönen Schalen der Pinna beugst, dieser Steckmuschel. Wie prompt dir das Alter des Meeres einfällt, wenn du eine Venusmuschel entdeckst; noch findest du in ihr Auroras Glanz. Und diese Herzmuschel, die gab es schon in der Trias. Formen der unaufhebbaren Dauer. Farben, aus denen die Ewigkeit zurückstrahlt. In der Gegenwart des Meeres mag man das denken, doch man denkt es nicht unbeschwert.
    Einmal verschwindet jeder hinter dem Horizont, so wie Odysseus verschwand und Kapitän Ahab, wie Robinson und Nemo und der große Beutemacher Sir Walter Raleigh. Kein Anker hält für immer. Wünschenswert ist, ohne Groll zu verschwinden, mit den begrenzten Erfahrungen, die du auf deinem Floß gemacht hast. Hier an der Küste des Meeres hat man seine eigenen Empfindungen, das merkt man bald und besonders dann, wenn man so bepackt ist mit seltsamem Strandgut, wie du es bist. Es gibt manches zu tun, denn auch das Meer schreibt oft genug verschlüsselt. Am Ende eines Strandgangs, da mach es wie ich: nimm dir ein Stöckchen und ritz deinen Namen in den Sand, dort, wo er feucht

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