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Wasserwelten

Wasserwelten

Titel: Wasserwelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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die Märzbraune: Körper aus brauner Wolle, Flügel von Rebhuhnfedern. Im April kommt die Steinfliege: Körper aus schwarzer Wolle, unter den Flügeln und am Schwanzende gelb angesetzt und mit den Flügeln von dunkelbraunen Enterichfedern. Im Mai die Rotfliege, die grünliche und die schwarze Fliege, dann die sattgelbe Junifliege: Körper aus schwarzer Wolle, Flügel aus einer Bussard-Schwungfeder, mit schwarzem Faden gebunden. Gut bis Mitte Juni ist die lohfarbene Fliege: Körper aus lohfarbener Wolle, Flügel aus den weißlichen Federn des Stockerpels, Unterseiten voneinander abgekehrt.
    Und so weiter. Er entwirft ein ganzes Fliegenjahr für den vollkommenen Angler. Es ist nicht zuviel gesagt, daß man mit dieser Auswahl auch heute den gesamten Bestand eines Forellengewässers betören kann. Da ein rechter Angler daran gewöhnt ist, einen halben Hausstand mit sichzu tragen, wird es ihm wohl auch nicht als zusätzliche Belastung erscheinen, wenn ihm Walton empfiehlt, außerdem noch ein kleines Wollgeschäft bei sich zu haben. Er selbst sagt:
    Ich führe sogar am Wasser immer alles nötige Material an Federn, Wolle, Seide und so weiter mit, um für den Fall, daß ich keine Nachbildung einer gerade von den Forellen bevorzugten Fliege zur Hand habe, nicht zum Mißerfolg verurteilt zu sein und mir an Ort und Stelle die wirksame Fliege verschaffen zu können. Ich muß sagen, daß ich dieser Vorsicht viele und beste Erfolge verdanke.
    Das ist die Haltung des vollkommenen Anglers. Die Suche nach absoluter Unabhängigkeit.
    Was mich betrifft – den Lehrling, den Novizen: Als ich die kunstvollen Fanganweisungen las, begann ich manches zu begreifen, was nicht unbedingt formuliert, was sich jedoch als selbstverständliche Lehre am Rande ergab. Ich begann einzusehen, worauf es ankommt. Der Fisch hat nach Vorschrift zu beißen. Er muß mit Hilfe eines kunstvollen Reglements überlistet werden. Nie wird es ein vollkommener Angler wagen dürfen, mit Stock, Rute und ordinären Würmern Forellen zu fangen. Auch wenn er zwölf herrliche Exemplare vorweisen kann – die Demonstration der Beute hilft ihm nichts, und die vollkommenen Angler werden die ersten sein, die Kohlen an seinen Scheiterhaufen heranbringen. Denn es gilt nur der Fang, der in Übereinstimmung mit den erlaubten Kunstgriffen gelandet wird. Die Beute nicht schlechthinzu besiegen, sondern sie fair zu besiegen – darauf kommt es dem vollkommenen Angler an. Er läßt dem Fisch eine Chance, und ich spürte, was sich daraus für unseren Umgang ergeben könnte, wenn man diese Einstellung der Angler etwa auf die Gesellschaft überträgt. Wenn die großen Haie der Gesellschaft genötigt wären, sich an Regeln zu halten und den ausgesuchten Opfern Chancen einzuräumen. Doch ich möchte nicht theoretisieren. Wie Walton zeigt, läßt sich auch alles im Lied ausdrücken, in treuherzigen poetischen Empfindungen, von denen augenscheinlich kein Angler verschont bleibt. Walton hat bereits alles vorweggenommen in seinem »Anglerlied«:
    Der eine liebt die Stille, der mehr die laute Welt,
    das Jagen hinter Hunden und Falken viel gefällt.
    Auch andern harten Sport hat mancher sich erkoren,
    beim Tennis, beim Hofieren ging manches Herz verloren.
    Ich fühle wenig Lust zu diesen Freuden allen,
    mir kann allein das Angeln nur gefallen.
    Die Hetzjagd bringt mit sich viel Härte und Gefahren,
    des Falkners Sorge stets die flücht’gen Helfer waren.
    Cupidos Schlinge schon so manches Unheil brachte,
    wenn einer blind vor Lust die Folgen nicht bedachte.
    Von allen den Bedenken ist doch der Angler frei,
    ich lobe mir daher die edle Fischerei.
    So lieb das Fischen ich, und auch nicht zu vergessen
    danach Geselligkeit und ein gepflegtes Essen.
    Im lieben Freundeskreis den Fang dann zu verzehren,
    die Lust am frohen Mahl durch Heiterkeit zu mehren.
    Als Spender solcher Freuden nun an unserem Tische
    gedenke dankbar ich des Wassers und der Fische.
    Die Lust am frohen Mahl, ja, auch das spielt eine Rolle, denn Walton scheint nicht allzuviel von l’art pour l’art -Anglern zu halten, die nichts anderes verlangen als den Kampf mit dem Fisch. Zwar bedeutet das Gefühl mehr als die Beute, gleichwohl sollte die Beute nicht völlig verschmäht werden, nachdem man sie kunstgerecht in seinen Besitz gebracht hat. Darum hält Walton es für angezeigt, dem Novizen, der ein vollkommener Angler werden möchte, einige wohlerprobte Rezepte der Zubereitung mit auf den Weg zu geben. So empfiehlt er

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