Wasserwelten
beispielsweise für den Karpfen:
Ein möglichst kurz vorher gefangener Karpfen wird – ohne ihn zu schuppen – gründlich geschrubbt und mit Salzwasser abgewaschen. Danach werden ein paar Bündel aus verschiedenen Kräutern – Thymian, Majoran, Petersilie und etwas Rosmarin – in die Bauchhöhle gelegt; dazu tut man vier bis fünfZwiebeln, drei Anchovis und einige Austern. Man legt den Fisch dann in einen entsprechenden Topf und läßt ihn in Rotwein, gewürzt mit Salz, Muskatblüte und etwas Zitronenschale, auf kräftigem Feuer gar kochen. In der Brühe, die den Karpfen gerade bedecken soll, werden Leber und Blut mitgekocht. Der fertige Karpfen wird zum Anrichten in eine größere Schüssel getan und dann mit der verbliebenen Brühe übergossen, von der man etwas mit einem Viertelpfund zerlassener Butter, gehackten Kräutern und zwei Eidottern sämig schlägt und zum Schluß darüber gibt.
Ich glaubte, nachdem ich dies alles erfahren hatte, genug zu wissen. Von der reinen Erwartung, die am Anfang des Angelns steht, bis zum Geheimrezept für die Zubereitung der Beute hatte ich alles von meinem alten Meister angenommen. Der Ring war beinahe geschlossen. Aber damit er sich ganz schlösse, fehlte noch etwas – eine letzte Frage, die mich in der neuen Überzeugung zu bestärken hatte: Zu welchem Ende angelt man? Was ist sozusagen das Bleibende daran, und wie sind die Genugtuungen beschaffen? Ich befragte Walton und erfuhr von ihm die schlichtesten Begründungen:
Das Angeln ist die richtige Beschäftigung für die Mußezeit, die einen zwar nicht müßig läßt, aber nach der Arbeit eine wohltuende Entspannung für den Geist bedeutet, die Kräfte auffrischt, Sorgen vertreibt, Unruhe in das Gegenteil verwandelt, Leidenschaften besänftigt und Zufriedenheit bringt.Erziehung zum Ausharren und zu friedlichen Lösungen sind mit diesem Tun in einzigartiger Weise verknüpft.
»Wunderbar, doch ich vermisse den Hinweis darauf, daß bei keiner Liebhaberei die Geduld so trainiert wird wie beim Angeln. Francis Francis meinte, die Hölle für den Angler liegt da, wo die Fische unaufhörlich beißen, dort nämlich muß er ohne Geduldsbeweis fischen, ohne die Freuden der Erwartung.«
Warten wir ab. Walton, mein umsichtiger Lehrer, erwähnt noch mehr Genugtuung.
Ich saß und genoß die Aussicht auf die prächtige Wiese und das Wasser. Der Duft der zahllosen Wiesenblumen war so stark, wie er sicher nicht intensiver auf einer Wiese in Sizilien hätte sein können. Im Wasser sah man viele Fische nach Insekten steigen und manchmal aus dem Wasser springen, um Fliegen der verschiedensten Art und Farbe im Flug zu erfassen. Dazu der Blick auf die fernen Hügel mit dem mannigfaltigsten frischen Grün. Ein wunderbares Bild. Meine Zufriedenheit und meine reine Freude am Anblick dieser Schönheit waren nicht zu übertreffen. Den Sanftmütigen gehört die Welt, und zu solchen Sanftmütigen zählen, wie ich nun überzeugt bin, unsere nachdenklich und ruhig veranlagten Angler.
Tugenden genug, doch all diese Tugenden ergeben sich gleichsam nebenher. Sie sind eine zwangsläufige Folge des Angelgenusses an sich. Und so fragte ich weiter nacheinem Schlüsselbegriff, der nur das Angeln bezeichnet, den Höhepunkt. Ich fand ihn. Walton hat in der Tat nichts vergessen.
Nun verhält man sich völlig still und wartet, bis der Schwimmer Bewegung zeigt beziehungsweise absinkt. Ohne jede Hast nimmt man dann sofort die Rute in die Hand und wartet das meist danach folgende Abziehen vom Ufer weg ab. Dabei lockere man die Schnurreserve, die sich nicht verklemmen darf, und setze im Abziehen einen leichten zügigen Anhieb. Sofort pariert man dann durch die Federung der mit der Spitze angehobenen Rute die ersten Befreiungsversuche, gibt Schnur nach, soweit das nötig ist, und wendet unter keinen Umständen Gewalt an. Sonst gelingt es dem sehr schwimmkräftigen Fisch nur zu leicht, den ziemlich kleinen Haken durch Schlagen loszuwerden oder gar die Schnur zu sprengen beziehungsweise die Ruten- spitze abzubrechen. Der Drill ist also nicht leicht und stellt bei größeren Fischen erhebliche Anforderungen an die Kunst des Anglers, bis ihm die Landung abseits von dem Angelplatz ohne zu große Beunruhigung für die anderen Fische gelungen ist.
Gewaltlosigkeit – das ist der Schlüsselbegriff für das Verhalten des vollkommenen Anglers. Sobald der Fisch am Haken ist, muß sich der Angler als disponibel erweisen. Er muß nachgeben können und anziehen, er muß sich
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