Wasserwelten
folgt dann die epipelagische Zone. Die Welt unter Wasser liegt in einer Durchschnittstiefe von 4000 Metern. Sie weist Ebenen auf, Täler, Berge, und wir wissen, daß dietiefsten Abgründe des Meeres tiefer sind als die höchsten Berge des Festlandes hoch.
Zwar gelingt es einem Freitaucher noch nicht, in diese bemerkenswerten Abgründe hineinzukommen – gleichviel: wenn man eine mittlere Betätigungstiefe von 50 bis 60 Metern ansetzt, so steht dem Taucher heute ein Gebiet zur Erforschung offen, das so groß ist wie – sehr groß. Die Wissenschaftler haben bereits mit der Erforschung begonnen, und viele von ihnen tragen einen Taucheranzug: Meeresbiologen, Hydrographen, Ozeanographen, Physiologen, Ernährungskundler, Archäologen und Ingenieure. Auch wir werden eines Tages auf den Meeresgrund hinabsteigen. Doch bis dahin gilt es noch viel zu lernen.«
So sprach gleich am ersten Tag Signor Luigi Luagi. Die gewissenhafte Vorbereitung auf die neue Welt hatte begonnen. Zwar durften wir am Strand liegen, durften auch über das Wasser blicken, doch tauchen – das durften wir vorerst nicht. Das blieb den älteren Kursusteilnehmern vorbehalten, die wir beim Auftauchen beobachteten. Sie begegneten uns mit nachsichtiger Herablassung. Einer unter ihnen – Bosco hieß er – war ledig und Trompeter am Rundfunk. Regelmäßig brachte er meiner Frau etwas von seinen Unterwasser-Expeditionen mit. Meist handelte es sich um Wesen, die ich nicht kannte, doch der tauchende Trompeter ließ uns den ganzen Vorsprung seines Wissens fühlen, indem er etwa ein Mitbringsel so kommentierte: »Das ist eine von den aufregenden Euphansiiden, eine Garnelenart, die das Wasser mit ihrenborstenartigen Auswüchsen durchzukämmen pflegt.« Und jedesmal bedankte sich meine Frau so überschwenglich, umfing ihn, der eine stramme, gummidurchwirkte Badehose trug, mit so versonnenem Blick, daß es mich ärgerte. Ob es Pfeilwürmer waren, Krebslarven oder Kieselalgen: meine Frau nahm sie so glücklich entgegen wie eine Halskette, streichelte das Zeug und sah dem Überbringer in der gummidurchwirkten Badehose lange nach. In einer Auswahl hatten wir den getrockneten Meeresgrund schon auf dem Fensterbrett, ohne selbst unten gewesen zu sein. Der Kursus sah das noch nicht vor. Statt dessen rief uns der schöne, schwermütige Tauchlehrer Kwiatkowski zusammen, um uns in die Kunst des Tauchens einzuweihen.
»Wir unterscheiden«, so sagte er, »berufliches Tauchen und sportliches Tauchen, was wir auch nennen ›Nackt- tauchen‹ – du verstehn? Der berufliche Taucher, der bis 200 Meter arbeitet, er muß haben Tieftauch-Ausrüstung: also Panzer, Luftgenerator, Helm und so weiter. Wir – du verstehn – sind Nackttaucher, darum unsere Ausrüstung ist minimal und nicht sehr teuer. Alles, was wir brauchen, sind: Maske, Atemschlauch, Schwimmflossen, und, wenn wir jagen wollen Fisch, wir noch brauchen Harpune und Pfeil.
So wir sind angelangt beim ersten Kapitel, welches ich möchte überschreiben: die Maske. Du verstehn? Um die Augen zu schützen gegen die Reizwirkung des Meerwassers und um nicht betrogen zu werden von Lichtbrechung unter Wasser, der Nackttaucher muß haben eineMaske. Die Maske muß sein wasserdicht und sich bequem – wie sagt man – anschmiegen, ja, an dem Gesicht. Die beste Maske ist die, die man gar nicht merkt, wenn man sie hat aufgesetzt.
So, das zweite Kapitel ich möchte überschreiben: Atemschlauch oder Schnorchel. Schlauch kann sein aus Kunststoff, kann sein aus Aluminium, beide sind gut, Kunststoff ist besser. Jedenfalls sie müssen haben biegsames Mundstück, das man bequem festhalten kann im Mund. Der Schlauch – er muß sich vom Mund abbiegen und dann leicht krümmen. Der Gummiriemen der Maske hält ihn fest, du verstehn?
So, letztes Kapitel der Ausrüstung möchte ich überschreiben: die Schwimmflosse. Ist wichtiges Kapitel. Mit Flossen wir schwimmen so elegant und schnell wie Fisch. Wir können kaufen verschiedene Flossen, Hauptsache, sie sind nicht zu kurz, zweite Hauptsache, sie sind nicht zu lang. Drittens dürfen die Flossen nicht sein zu leicht und viertens nicht zu schwer. Gut ist, wenn die Zehen haben viel Platz. Wenn man sie nicht kann ausstrecken, es gibt einen Krampf. Richtig, ich habe vergessen: Die Schwimmflossen sind aus Gummi. Schön, und jetzt wollen wir alle zur Übung anlegen die Ausrüstung für Nackttaucher. Aber langsam, wenn ich bitten darf. Wir haben Zeit.«
Ja, und unter den nachsichtig herablassenden
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