Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
trotzdem – in dem Moment, in dem John sie Julia überreichte, hatte er Cains Blick aufgefangen und sich durchschaut gefühlt …
John wischte die Gedanken mit aller Macht beiseite. Sheridan und Cain machten keinen Smalltalk mehr. Der Klang ihrer Stimmen hatte sich verändert und war leiser geworden.
„Im Restaurant hat Karen ihm gesagt, er solle sie nie wieder anrufen.“
„Ich schätze, sie haben sich wieder versöhnt.“
„Wann wollen sie heiraten?“
„Irgendwann im Dezember.“
Johns Herz klopfte dröhnend in seinen Ohren. Woher wusste Cain von der Hochzeit? John war gerade erst von Karen gekommen. Es hatte sich angehört, als hätte sie keiner Menschenseele davon erzählt. Und John wusste, dass eres niemandem gegenüber erwähnt hatte.
„Wie geht es dir damit?“ Sheridan wollte nicht nur ein lapidares „Gut“ hören, das erkannte John an ihrer Stimme.
„Ich bin mir nicht sicher.“
Warum sollte ihm das etwas ausmachen? Was ging ihn das an? Gereizt biss John die Zähne zusammen. Wie kam Cain auf die Idee, dass das irgendwelche Auswirkungen auf ihn haben könnte?
Sheridan bewegte sich; dann konnte John sie nicht länger sehen. Er erkannte jedoch das besorgte Gesicht seines Stiefsohnes.
„Gibt es einen Grund, warum du dich nicht für sie freuen kannst?“, fragte sie. Worauf wollte sie hinaus? Sie wirkte seltsam nervös, als ob sie sich vor der Antwort fürchtete. Aber warum …
Dann wurden sie unterbrochen. „Ist es nicht ein bisschen spät für einen Besuch bei alten Freunden?“
Eine dritte Stimme ertönte aus Richtung Diele, und was immer Cain hatte sagen wollen, blieb heute Abend ungesagt.
„Ja, es ist spät“, erwiderte er. „Ich gehe besser.“ Er wandte sich an Sheridan. „Bist du sicher, dass ihr beide allein zurechtkommt?“
Die scharfe Antwort der anderen Frau übertönte das, was Sheridan sagte. „Wir kommen sehr gut allein zurecht.“
John konnte ihn erneut sehen. Er beobachtete, wie Sheridan die Hand ausstreckte, als Cain die Tür öffnete, sie jedoch wieder fallen ließ, ehe sie ihn berührt hatte. „Gute Nacht.“
„Nacht“, murmelte er, und das Geräusch der zuschlagenden Tür hallte in Johns Ohren wider, zusammen mit der Frage, die ihn vor Argwohn fast krank machte. Endlich hatte er Karen dazu überredet, ihn zu heiraten – aber wieso wusste Cain als Erster davon?
Fast hätte er es Sheridan erzählt. Cain wollte offen sein, wollte ihr anvertrauen, was an jenem Nachmittag wirklich geschehen war, als Mrs Stevens ihn gebeten hatte, ihren Rasen zu mähen. Sobald ihm diese Begegnung in den Sinn kam, schreckte er zurück und schob das Bild beiseite. Er weigerte sich, darüber nachzudenken. Aber er wollte Sheridan davon erzählen, ehe sie es auf anderem Wege herausfand. Er wollte die Möglichkeit bekommen, alles zu erklären.
Aber was wollte er erklären? Er konnte es schließlich schlecht abstreiten.
Im Vorgarten blieb er zögernd stehen. Ob er ihr davon erzählte oder nicht – er wollte sie beschützen, wollte bei ihr sein. Es war fast unmöglich gewesen, die Hände bei sich zu behalten, als sie im Wohnzimmer gestanden hatten. Der Gedanke, ihre weiche Haut zu spüren, war zu verführerisch gewesen. In seiner Vorstellung schob er die Hände unter ihr Shirt, um sie zu liebkosen, während er sie küsste.
Aber er hatte immer gewusst, dass sie etwas Besseres als ihn verdient hatte. Jemanden wie Jason. Selbst damals in der Highschool war ihm das klar gewesen. Und trotzdem hatte er sie entjungfert. Er hatte gewusst, wie selbstsüchtig das von ihm gewesen war, selbst zu jener Zeit. Dass er sie anschließend so konsequent ignoriert hatte, hatte die Sache nur noch schlimmer gemacht. Er konnte kaum erwarten, dass sie ihm jetzt vertraute.
Er rief sich den anklagenden Ausdruck in Skyes Blick in Erinnerung, als hätte sie sagen wollen: „Du bist ihrer nicht wert“, und zwang sich, zu seinem Truck zu gehen. Sheridans Freundin hatte recht: Ohne ihn war sie besser dran.
Mit einem letzten Blick auf das Haus setzte Cain sich hinters Lenkrad. Er sah den Kombi seines Vaters vor dessen Haus, er stand auf seinem üblichen Platz vorne, damit Robert rein- und rausfahren konnte. Das Licht war aus.
Karen schlief wahrscheinlich ebenfalls bereits. Aber Cain musste wissen, was sie zu sagen hatte.
25. KAPITEL
„Bist du mir böse?“
Sheridan starrte auf den Fernseher und rang um eine Antwort, die Skye zufriedenstellen würde. Sie wollte, dass ihre Freundin wieder ins Bett ging.
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