Watermind
das Kolloid bei einer Temperatur von minus sieben Grad Celsius durch das Flussbett bewegte, aber immer noch flüssig war. Und das Volumen hatte sich auf 120 Kubikmeter verdreifacht. Die verschwommene Wolke dehnte sich über 300 Meter aus und zog eine flüchtige Bugwelle aus ultrareinem Wasser hinter sich her.
»Das verdammte Ding frisst Schiffsfracht und trinkt Chemikalien aus dem Fluss, um anschließend makellos sauberes H 2 O zu pissen. Und obendrein hat es noch Algenzellen in den Sklavendienst gezwungen, um Zucker zu speichern.« Peter putzte sich die dicken, verschmierten Brillengläser.
»Haben Sie Proben genommen?« Jetzt wurde CJ wieder wach.
»Kommen Sie mit, dann zeige ich es Ihnen.« Er aktivierte den Computer und lud das neueste Satellitenbild herunter. Die Größe des Kolloids machte sie fassungslos.
Während Peter ihr von der hohen Photosyntheserate berichtete, scrollte sie zügig durch seine Daten. »Was will es mit so viel gespeicherter Energie machen?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber …« Peter zwinkerte ihr zu. »Aber ich weiß, wie es sich reproduziert.«
»Wie?« CJs Unterkiefer klappte herunter.
Peter grinste und öffnete seinen privaten Laptop. Der LCD-Monitor zeigte ein vergrößertes Bild, das mit dem Elektronenmikroskop gemacht worden war, und bevor Peter etwas dagegen tun konnte, spähte Rick Jarmond ihm über die Schulter. »Mann, sieht das unheimlich aus! Das sind Bakterienzellen, oder? Was machen sie da?«
»Ja, Peter, was machen sie da?« CJ drängte sich zwischen die beiden jungen Männer, um das Bild betrachten zu können.
Peter verschränkte die Arme. Rick Jarmond hatte viel zu viel Grips, um ihn täuschen zu können. Sie würden wohl oder übel gemeinsam durch diese Scheiße waten müssen. »Also gut, die Pampe besteht aus Algensaft, wissenschaftlich auch als Proplastid bezeichnet. Und das Bakterium ist Dewococcus radiodurans .«
»Ha!« Ein Lächeln auf Ricks Gesicht zeigte an, dass er schon davon gehört hatte.
Peter seufzte und nickte. Dewococcus radiodurans war das genetisch veränderte Bakterium, das er empfohlen hatte, um das freigesetzte Toluol unschädlich zu machen. Sie hatten einen Tanklaster mit dem Zeug in den Devil's Swamp gekippt. Als Rick ihm wissend zuzwinkerte, konnte Peter nur mit den Schultern zucken.
Auf dem Laptop vergrößerte er ein bestimmtes Bakterium und klickte sich dann durch eine Sequenz zeitlich aufeinanderfolgender Bilder. Innerhalb der wässrigen Sphäre der Zelle trieb eine Galaxis aus den üblichen Zentriolen, Plasmiden und Ribosomen im Zytoplasma. Aber es war der angeschwollene Zellkern, der ihre Aufmerksamkeit auf sich zog – beziehungsweise der gezackte kristalline Splitter, den er gerade hervorbrachte.
Der scharfkantige Splitter wirkte wie ein Fremdkörper in dieser flüssigen organischen Gebärmutter. Auf den nächsten Bildern der Sequenz beobachteten sie, wie ein deutlich abgegrenzter rechter Winkel Gestalt annahm. Danach wuchs sich der Splitter zu einem quadratischen Plättchen aus, das seine Stammzelle zu sprengen drohte. Als die Zellwand aufplatzte und der Zellsaft hinausströmte, wurde das Plättchen zur Gänze sichtbar. Es war aus mehreren Schichten aufgebaut, die aus reinen Metallen und Silikon bestanden. Und darauf waren Strukturen zu erkennen, die aussahen wie …
»Schaltkreise?«, fragte Rick.
»Ein Mikrochip«, hauchte CJ.
»Das übersteigt selbst Ihre wildesten Phantasien, was, Reilly?« Peter schmunzelte und genoss die Verblüffung der beiden. »Diese Bakterienzelle ist eine perfekte Nanofabrik. Sie repliziert Mikrochips, Atom für Atom.«
Rick strich sich über den beinahe unsichtbaren Kinnbart. »Wer zum Teufel hat einen Deinococcus- Stammdarauf programmiert, Halbleiterchips herzustellen?«
»Die Gentechnik ist zu erstaunlichen Dingen in der Lage.« Peter kratzte sich abpellende Haut von den sonnenverbrannten Armen. »Stellen Sie sich eine Zelle als Informationssystem vor, mit der DNS als Software. Die Zellen folgen einfachen Befehlen, die in den Genen definiert sind, und Gene lassen sich sehr einfach rekonfigurieren.«
Rick runzelte die Stirn. »Sie beschreiben Lebewesen, als wären sie Maschinen.«
»Klar. Auch unsere Körper funktionieren auf dem zellulären Level völlig mechanisch.« Peter blinzelte fröhlich mit den weißgeränderten Augen. »Wir haben Computer erfanden. Was glauben Sie, von wo wir das Vorbild haben?«
Rick verzog den Mund und klickte mit seinem Kugelschreiber. Er wollte
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