Watermind
Handy. Er schaute kaum auf, als er sie bemerkte. Sein nussbrauner Teint sah noch dunkler aus, und sein dickes, welliges Haar hing ihm in die Augen. Er wirkte so distanziert und kalt, dass sie dachte, er hätte sie nicht erkannt. Dann winkte er sie mit einem Finger herein und zeigte auf einen Stuhl.
Sie trat ein, schloss die Tür und setzte sich an den kleinen Konferenztisch, wo sich Dan Meir vorübergehend eingerichtet hatte. Meir sprach ebenfalls in sein Handy und bearbeitete einen Laptop. Er schenkte ihr ein wohlwollendes Lächeln. Sein freundlicher Ausdruck erinnerte sie an einen ihrer Onkel.
Mehrere Minuten vergingen, bevor sie eine Pause einlegten. Ihren Gesprächen entnahm sie, dass es im Kanal einen Vorfall gegeben hatte. Meir genehmigte Überstundenzahlungen, und Roman fragte jemanden nach Spundwandelementen. Sie saß auf ihren Händen und hörte zu.
Roman schaltete sein Handy aus und blickte sie an. »Was haben Sie für mich?«
Seine Frage erschreckte sie, aber es war die Eröffnung, die sie gewollt hatte. Ihre Finger umklammerten den Stuhlsitz. »Ich habe einen Stromfluss im Wasser gefunden, und da waren synchronisierte Blinklichter.«
Sacony hob die Brauen. »Langsam. Sie sprechen in Rätseln.« Er beugte sich über den Schreibtisch. »Sagten Sie synchronisiert?«
»Letzte Nacht bin ich im Kanal getaucht, um Proben zu nehmen. Ich denke, der Strom …«
»Sie sind im Kanal getaucht? Was ist mit dem Teich?«
»Es ist nicht mehr im Teich. Es ist in den Kanal geschlüpft.«
Roman schloss die Augen und nickte.
»Was zum Teufel ist es?« Dan Meirs Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Wollen Sie sagen, dass das weiße Zeug, das Manuel de Silva tötete, auch die Absenkungen verursacht hat?«
»Was für Absenkungen?« CJ blickte zwischen den beiden Männern hin und her.
Roman lehnte sich zurück und starrte ins Leere.
»Mailen Sie mir Ihren Bericht. Hoffentlich ergibt er Sinn. Sie können gehen.«
Die abrupte Verabschiedung versetzte ihr einen Stich. Sie konnte nicht glauben, dass es derselbe Mann war, der sie zum Abendessen hatte einladen wollen. Doch er wollte ihren Bericht, das war die Hauptsache. Und er hatte sie nicht als Spinnerin bezeichnet. Sie stand auf und wandte sich zum Gehen.
Als sie bereits an der Tür war, sagte er: »Reilly, tauchen Sie nicht noch einmal ohne Erlaubnis. Ist das klar?«
Ihr erster Impuls war, ihm etwas Trotziges an den Kopf zu werfen, doch seine nächsten Worte besänftigten sie. Er sagte: »Ich brauche Sie noch.«
27
Samstag, 12. März, 9.07 Uhr
Lächelnd ging sie ins Labor zurück. Nicht einmal Peter Vaarveens Sticheleien konnten sie aufregen. Roman hatte ihren Bericht ernst genommen. Er wollte, dass ihr nichts passierte. Siehst du, Harry'? Jemand respektiert meine Meinung.
Sie rümpfte die Nase über Peter und wählte sich mit ihrem Laptop in das Firmen-WLAN ein. Sie las noch einmal Korrektur, was sie zuvor geschrieben hatte, feilte an einigen Sätzen und änderte hier und da ein Verb. Sie schilderte ihre Hypothese so kurz und präzise wie möglich und versuchte ihre galoppierende Phantasie, über die sich ihr Vater so oft lustig gemacht hatte, im Zaum zu halten.
Als Erstes rekapitulierte sie ihre Ergebnisse: Das Kolloid war aus einer Mischung aus flusseigenem Müll und Schadstoffen aus dem Devil's Swamp entstanden. Es bestand hauptsächlich aus Wasser, das sich mit Proplastid aus Algen verbunden hatte, und es enthielt Mikroelektronikbauteile, die wahrscheinlich von kaputten Computern und Geräten stammten, die auf Mülldeponien entsorgt worden waren. Die Emulsion bildete Eis bei Raumtemperatur, und sie konnte Wasser reinigen.
Eine Weile überlegte sie, ob sie den Teil mit der Wasserreinigung herausnehmen sollte. Roman würde womöglich sofort erkennen, welchen Profit er aus billigem Trinkwasser schlagen könnte, und die Entdeckung als Firmeneigentum in Anspruch nehmen. Andererseits wollte sie ihn mit ihrem Intellekt beeindrucken – also ließ sie es stehen.
Als Nächstes listete sie ihre neuen Entdeckungen auf: die Unterwasserlichter, die Gasblasen und der Strom, der vom elektromagnetischen Feld generiert wurde. Die Blinklichter konnten lichtemittierende Dioden sein. LEDs gab es in allen möglichen Dingen, von Kinderspielzeug bis zu Autoschlüsseln, und selbst bei Schwachstrom schimmerten sie noch. Die Gasblasen mochten einfaches Methan sein. Und der Stromfluss kam vielleicht von einer beschädigten Leitung in der Nähe der Fabrik. Der Strom hatte
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