Watersong - Sternenlied (German Edition)
sie es getan hatte, aber das war nicht sie gewesen. Sie hätte so etwas niemals getan.
Doch sie hatte es getan. Wie sonst hätte sie am nächsten Morgen mit einem höllischen Kater am Ufer aufwachen können?
Aber Alkohol alleine lieferte noch keine Erklärung für die Geschehnisse der vergangenen Nacht. Auch bevor sie aus der Phiole getrunken hatte, war alles ziemlich schräg gewesen, und Gemma hatte noch nie von einem so dickflüssigen Schnaps gehört. Er hatte die Konsistenz von Honig gehabt, aber ganz und gar nicht danach geschmeckt.
Vielleicht war es ja kein Alkohol gewesen, sondern irgendetwas anderes. Vielleicht Gift oder eine Droge. Oder ein Zaubertrank. Es hätte Gemma nicht überrascht, wenn sie erfahren hätte, dass Penn eine Hexe war.
Auf jeden Fall hatten sie ihr irgendetwas eingeflößt. Gemma würde wahrscheinlich nie erfahren, was genau es gewesen war, aber das war auch nicht so wichtig. Sie hatten ihr Drogen gegeben, und sie wusste nicht, warum.
Noch schlimmer war, dass Gemma nicht wusste, was sie danach mit ihr gemacht hatten. Die Kratzer stammten wahrscheinlich daher, dass sie im Meer an Felsen vorbeigeschrammt war. Nachdem Gemma das Bewusstsein verloren hatte, mussten die drei Mädchen sie einfach in die Bucht geworfen haben.
Oder doch nicht? Wenn sie bewusstlos ins Wasser gefallen wäre, wäre sie doch sicher ertrunken, richtig? Und eigentlich hätte die Strömung sie aufs offene Meer hinausziehen müssen. Wieso hatte sie dann am Ufer gelegen, unversehrt bis auf ein paar Kratzer und Schürfwunden? Warum lebte sie noch?
» Mist « , seufzte Harper und riss Gemma aus ihren Gedanken. Sie kam ins Zimmer. » Marcy hat mich gerade angerufen. In der Bücherei geht es drunter und drüber und ich muss ihr helfen. «
Gemma setzte sich auf. Ihr Körper fühlte sich viel besser an als noch heute Morgen. Die Schmerzen waren verschwunden und auch die Schwellungen um ihre Wunden hatten sich zurückgebildet. Abgesehen davon, dass sie klebte und vor Schmutz starrte, ging es ihr eigentlich ganz gut.
» Kommst du eine Stunde lang alleine zurecht? « , fragte Harper.
» Klar « , nickte Gemma. » Mir geht’s gut. Ich gehe jetzt erst mal duschen. Erledige du deine Arbeit. Ich will dir nicht noch mehr Unannehmlichkeiten bereiten. «
» Na gut. « Harper biss sich auf die Lippe. Sie schien nicht gehen zu wollen. » Ich habe mein Handy dabei. Ruf mich an, wenn du mich brauchst. Das meine ich ernst, okay? «
» Okay. « Gemma nickte wieder. » Aber ich komme schon klar. «
Als Harper gegangen war, stieg Erleichterung in Gemma auf. Jetzt hatte sie endlich die Chance, in Ruhe über alles nachzudenken. Es war schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, solange Harper sie überwachte und mit ihren Fragen aus dem Konzept brachte.
Gemma wusste, dass ihre Schwester es gut meinte, und es war schließlich ihre eigene Schuld, dass Harper sie heute keine Sekunde aus den Augen ließ. Aber trotzdem war sie dankbar dafür, endlich einmal durchatmen zu können.
Der Auslöser für Harpers überängstliche Fürsorge war der Autounfall gewesen, den sie und ihre Mutter gehabt hatten. Obwohl Harper und nicht Gemma dabei verletzt worden war, machte sich ihre Schwester seitdem ständig schreckliche Sorgen um sie.
Und Gemma hatte das anfangs nichts ausgemacht. Sie hatte Harpers Fürsorge gebraucht. Als ihre Mutter im Koma gelegen hatte, war sie völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Aus ihrer heutigen Perspektive heraus betrachtet, hatte Gemma sehr an ihrer Mutter gehangen, und wenn Harper sich nicht um sie gekümmert hätte, wäre sie an dem Unfall zerbrochen.
Aber im Laufe der Zeit hatte sie gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen. Gleichzeitig hatte sie begonnen, leidenschaftlich gern zu schwimmen. Sie war schon immer gern im Wasser gewesen, aber nach dem Unfall konnte sie gar nicht mehr genug davon bekommen. Nur im Wasser fühlte sie sich wirklich frei, und wenn Harper es mal wieder übertrieb, konnte sie nur dort wirklich sie selbst sein.
Und jetzt hatte ihr dummer Fehltritt mit Penn dafür gesorgt, dass Harper sie noch weniger aus den Augen lassen würde als zuvor. Diesmal konnte Gemma nicht zur Bucht flüchten, um ihr zu entkommen. Aber wenigstens blieb ihr noch das Schwimmtraining. Und ausgiebige Schaumbäder.
Gemma überlegte, ob sie jetzt baden sollte, aber sie fühlte sich zu schmutzig. Es würde nur ein paar Sekunden dauern, bis sie in einer Schlammbrühe saß. Dann lieber duschen.
Während sie darauf wartete, dass
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