du herumtelefonierst, da wollte ich auch was tun«, erklärte er, als Harper sich zögernd neben ihn auf die Stufe setzte. » Deshalb bin ich ins Internet.«
Innerhalb weniger Sekunden poppte ein Bild von Gemma auf und füllte fast den ganzen Monitor: Sie lächelte und ihr langes, welliges Haar schimmerte in der Sonne. Das Foto hatte Harper vor ein paar Wochen gemacht, am letzten Schultag.
» Ich habe das Bild von ihrer Facebookseite genommen«, erklärte Alex.
Über Gemmas Gesicht stand in großen, fetten Buchstaben: Wer hat mich gesehen? Alex scrollte unter das Bild. Dort standen alle relevanten Informationen: Gemmas Alter, ihre Größe, wo sie zuletzt gesehen wurde und eine Kontakt-Mailadresse, die
[email protected] hieß.
» Wie findest du es?«, fragte Alex erwartungsvoll.
» Sie hat eine eigene Internetseite?«, fragte Harper und vermied so eine direkte Antwort.
Er nickte. » Ja, ich habe sie mit ein paar Vermisste-Kinder-Websites verlinkt. Und ich habe auch auf Facebook eine Seite dazu eingerichtet.«
Er klickte ein paarmal auf dem Laptop herum, bis die Facebookseite mit dem gleichen Bild erschien. Hier lautete die Überschrift: Wer hat Gemma Fisher gesehen?
» Ein paar Leute haben schon was dazu geschrieben«, stellte Harper überrascht fest und lehnte sich vor, um die Kommentare zu lesen.
Sie stammten bislang nur von ein paar Mädchen aus Gemmas Klasse und von ihrem Schwimmtrainer. Alle schrieben das Gleiche: dass sie Gemma nicht gesehen hätten, aber hofften, sie würde bald nach Hause kommen.
» Ja, bisher waren noch keine richtigen Hinweise dabei, aber ich habe ja erst angefangen«, sagte Alex. » Es dauert bestimmt eine Weile, bis es losgeht.«
» Glaubst du, es meldet sich jemand, der sie gesehen hat?«, fragte Harper zweifelnd.
» Keine Ahnung«, gab Alex zu. » Ich hoffe es. Vielleicht.« Er seufzte. » Ich meine, ich weiß nicht, wo ich noch suchen soll oder was ich sonst tun könnte. So bringen wir vielleicht andere Leute dazu, uns zu helfen.«
» Stimmt.« Harper lehnte sich zurück. » Das ist echt gut, Alex. Super, dass dir das eingefallen ist.«
» Vielleicht sieht sie es ja auch«, sagte Alex mit leiser Stimme, als würde er mit sich selbst reden. » Wenn sie merkt, wie sehr wir sie vermissen, kommt sie vielleicht zurück.«
Harper schaute ihn an. Sein Gesicht war besorgt und kummervoll.
» Alex, sie ist nicht gegangen, weil wir ihr egal sind«, sagte Harper sanft. » Oder weil sie denkt, sie wäre uns egal.«
Er senkte den Blick, und als er sprach, klang seine Stimme angespannt. » Ich weiß. Ich dachte nur… wenn sie begreift, wie sehr ich sie…«
» Alex.« Harper legte ihm die Hand auf den Rücken, um ihn zu trösten. » Diese Sirenen haben irgendwas mit Gemma gemacht. Du hast das nicht gesehen, weil du ohnmächtig warst, aber Gemma wollte nicht mit ihnen weg. Sie haben irgendeine Macht über sie, und sie ist gegangen, um uns zu schützen, dich und mich, weil sie uns liebt.«
» Ich hätte etwas dagegen tun sollen«, sagte Alex frustriert. » Immerhin bin ich ihr Freund. Ich hätte ihr helfen müssen.«
» Das tust du doch«, sagte Harper und verbesserte sich dann. » Na ja, du tust immerhin, was du kannst.«
» Es kommt mir aber nicht genug vor.«
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. » Ich weiß. So geht es mir auch. Aber mehr können wir im Moment nicht tun. Deshalb muss es genug sein.«
SECHS
Schwestern
G emma saß am Strand. Die Sonne brannte auf sie herab, doch das konnte das Frösteln in ihr nicht vertreiben. Sie hatte den ganzen Tag gezittert und trotz der Hitze draußen mehrere Kleiderschichten getragen.
Dicht beim Meer zu sein war das Einzige, das ein bisschen zu helfen schien. Sie hatte die Knie an die Brust gezogen und saß ein paar Schritte von den Wellen entfernt, die an das Ufer schlugen, und ausnahmsweise war die Wassermelodie in ihrem Kopf fast verstummt.
Die Sirenen waren draußen im Meer und genossen eines ihrer täglichen Bäder, doch Gemma wollte sich nicht zu ihnen gesellen. Heute schwamm Sawyer mit ihnen und sie konnte ihn zu Penns leisem Gesang lachen hören.
Sie waren so weit weg, dass Gemma ihre hüpfenden Köpfe auf dem Wasser kaum sehen konnte. Immer wieder verschwanden die Sirenen, weil sie gerne tiefer und weiter tauchten, als ein Mensch wie Sawyer es konnte. Gemma fürchtete die ganze Zeit, sie könnten ihn ertränken.
Sie kannte Sawyer kaum und hatte auch das Gefühl, dass sie ihn wohl nie richtig kennenlernen würde.