WattenMord (German Edition)
Schule deutete nach rechts auf eine Tür, in der sich eine Milchglasscheibe befand. „Herr Schäfer müsste im Arbeitsraum sein“, kommentierte sie, klopfte kurz an und steckte den Kopf in den Raum. „Ah“, sagte sie. „Gut, dass du hier bist. Hier sind zwei Herrschaften von der Polizei, die dich gern sprechen würden.“
Wiebke fiel sofort auf, dass die Frau vermied, ihm direkt in die Augen zu blicken.
Zu dritt betraten sie den fensterlosen Raum. Wiebke erkannte Schäfer sofort wieder. Sie musste schmunzeln, verkörperte der Lehrer doch das klassische Bild eines naturliebenden Biolehrers: Er trug trotz der angenehmen Temperaturen einen Wollpulli, dazu die obligatorischen Jeans und Gesundheitsschuhe. Nur die Kapitänsmütze und die Pfeife in seinem Mundwinkel fehlten heute. Schäfer saß an einem der sechs L-förmig angeordneten Computer und blickte neugierig auf. Als er Wiebke sah, wirkte er ein wenig überrascht. Offenbar erinnerte er sich an ihr Treffen am Dockkoog.
„Sie?“ Dann räusperte er sich. „Sie sind Polizistin?“
„Ja, Kripo Husum“, nickte Wiebke und lächelte. „Man sieht sich eben immer zweimal im Leben.“
„Ich bin dann mal wieder weg“, flötete die Blondine und zog sich zurück.
Täuschte Wiebke sich, oder hatte ihre Stimme dem Kollegen gegenüber unterkühlt und distanziert geklungen?
Schäfer blickte ihr fast wehmütig hinterher. Auch er starrte auf ihren Hintern.
Sind denn alle Männer gleich?, fragte sich Wiebke und trat näher, nachdem die Blondine die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Die Schulsekretärin nehme ich an?“
„Nein.“ Torben Schäfer schüttelte mit einem feinen Lächeln den Kopf und zupfte an seinem Bart herum. „Das ist Levke Kühn. Sie ist Referendarin an unserer Schule.“
„Schöner Name“, murmelte Petersen.
Schäfer nickte. „Ja, er stammt aus dem Friesischen. Der Name ist abgeleitet von ,leavje‘ und bedeutet so viel wie ,mögen, liebhaben‘.“
Wiebke schwieg und wunderte sich über Schäfers sanfte Art. „Holger Heiners ist tot“, sagte sie dann so unvermittelt, dass Torben Schäfers sanftes Lächeln wie ausgeschaltet war.
Seine Augen wurden groß, als er zu Wiebke aufblickte. Mit einer fahrigen Handbewegung strich er sich durch das Gesicht. „Was haben Sie gesagt?“
Petersen setzte sich auf eine Tischkante. „Er ist ermordet worden, deshalb sind wir hier, um mit Ihnen über Heiners zu sprechen.“
Wiebke zog sich einen freien Stuhl heran und setzte sich verkehrt herum darauf. „Als Gründer der Bürgerinitiative ,Rettet den Dockkoog‘ war Ihr Verhältnis zueinander wohl eher gespannt, oder?“
„Aber Sie wollen mir jetzt keinen Mord unterstellen, nehme ich an?“, konterte er angriffslustig.
Wiebke wunderte sich, wie schnell er sein Selbstbewusstsein wiedergefunden hatte. „Wir ermitteln in einem Tötungsdelikt, das sich erst vor wenigen Stunden ereignet hat“, stellte sie klar. „Insofern ist es zu früh, einen Verdacht auszusprechen. Deshalb wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns Ihr Verhältnis zu Holger Heiners schildern würden.“
Schäfer nickte nachdenklich und stierte ins Leere. Sekundenlang schien er geistesabwesend zu sein, dann ging ein Ruck durch seine massige Gestalt. „Ich muss zugeben, dass ich mir seinen Tod nicht nur einmal in den letzten Monaten gewünscht habe“, räumte er zerknirscht ein. „Wir waren Kontrahenten: Naturschutz contra Neubau – so was konnte nicht friedlich abgehen.“
„Hatten Sie Kontakt zu ihm?“ Wiebke blickte ihn ernst an.
„Natürlich. Mehrmals sogar. Auf einer Podiumsdiskussion war ich kurz davor, ihn körperlich anzugreifen.“
„Wie kam das?“, mischte sich Petersen ein. Er rutschte von der Tischkante und wanderte im Raum herum, blieb an einem der hohen Regale stehen und betrachtete interessiert die Buchrücken.
„Ich bin auch nur ein Mensch“, murmelte Torben Schäfer. Der Lehrer lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Beine übereinander. „Und Heiners hatte eine sehr provokante Art an sich, die einen schnell auf die Palme bringen konnte. Mit einem einzigen Satz konnte er das, wofür ich wochenlang gekämpft habe, in Grund und Boden reden. Als Lehrer bin ich rhetorisch auch nicht ganz unbedarft, aber Heiners’ Art war nicht auszuhalten. Er hat uns verspottet und verhöhnt, hat uns mit Klagen gedroht und in der Presse niedergemacht.“
„Uns?“, fuhr Petersen dazwischen.
„Ja, mich und meine Anhänger. Es gibt viele Menschen, die das
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