Way Out
Privatdetektivin in der Innenstadt. Auch sehr attraktiv. Älter, aber hallo.«
»Die New Yorker Polizei arbeitet jetzt mit Privatdetektiven zusammen?«
»Diese ist in ungewöhnlicher Position. Sie war früher mal beim FBI.«
»Alle waren früher mal irgendwo.«
»Sie hat die Ermittlungen im Fall Anne Lane geleitet.«
Reacher schwieg.
Brewer lächelte. »Deshalb hat sie wie gesagt ein Interesse an diesem Fall.«
Reacher fragte: »Weiß Patti davon?«
Brewer schüttelte den Kopf. »Das braucht Patti nicht zu wissen. Das soll sie lieber nie erfahren. Das wäre eine schlimme Kombination, fürchte ich.«
»Wie heißt diese Frau?«
»Ich dachte, das würden Sie nie fragen«, antwortete Brewer.
22
Reacher verließ Patti Josephs Apartment mit zwei Geschäftskarten. Eine war Brewers offizielle NYPD-Karte, die andere eine elegante Karte mit dem Namen Lauren Pauling in Schreibschrift und dem Zusatz Privatdetektivin darunter. Noch eine Zeile tiefer stand: Ex-Special Agent, Federal Bureau of Investigation. Ganz unten folgte eine Innenstadtadresse mit 212- und 917-Nummern für Festnetz und Handy, E-Mail-Adresse und Webseite. Ihre Karte wirkte flott und teuer, professionell und effizient. Viel besser als Brewers NYPD-Karte. Sogar besser als Gregorys OSC-Karte.
Reacher warf Brewers Karte in einen Papierkorb am Central Park West und versteckte Lauren Paulings in seinem Schuh. Dann kehrte er auf Umwegen ins Dakota Building zurück. Inzwischen war es fast ein Uhr morgens. Er umrundete den Straßenblock und sah auf der Columbus Avenue einen Streifenwagen. Cops, dachte er. Dieses Wort verfing sich in seinen Gedanken wie zuvor in Soho. Wie ein Zweig kurz am Flussufer hängen bleibt. Reacher blieb stehen, schloss die Augen und bemühte sich, ihn zu erwischen. Aber der Zweig riss sich los, trieb davon. Er gab auf und bog in die 72nd Street ein. Betrat die Eingangshalle des Dakota. Der Nachtportier war ein würdevoller alter Herr. Er telefonierte nach oben und neigte dann den Kopf, als würde er ihn zum Weitergehen einladen. Oben im vierten Stock wartete schon Gregory an der offenen Wohnungstür. Reacher folgte ihm hinein, und Gregory sagte: »Noch nichts. Aber es sind noch sieben Stunden.«
In dem Apartment, in dem es noch immer nach chinesischem Essen roch, herrschte nächtliche Totenstille. Alle waren wie zuvor im Wohnzimmer versammelt. Bis auf Burke. Der war noch nicht wieder zurück. Gregory wirkte energiegeladen. Lane saß aufrecht in seinem Sessel, aber die anderen waren müde zusammengesackt. Das Licht war gedämpft und gelblich, die Luft war stickig. Jemand hatte die Vorhänge zugezogen
»Warten Sie mit uns«, sagte Lane.
»Ich brauche Schlaf«, entgegnete Reacher. »Wenigstens drei bis vier Stunden.«
»Nehmen Sie Jades Zimmer«, meinte Lane.
Reacher nickte und ging durch den Innenflur in Jades Zimmer. Das Nachtlicht brannte noch. In dem Raum roch es vage nach Babypuder und gesunder Haut. Für einen Kerl von Reachers Größe war das Bett viel zu klein. Eigentlich für jeden Mann zu klein. Es war irgendeine Sonderanfertigung, vermutlich aus einer teuren Kinderboutique. Ein weiteres Dienstmädchenzimmer war in ein eigenes Bad umgebaut worden: Waschbecken, WC, Badewanne mit Dusche. Der an einer Stange verschiebbare Duschkopf befand sich keine eineinviertel Meter über dem Wannenablauf. Der Duschvorhang aus transparentem Kunststoff war mit gelben Enten bedruckt.
Er schob den Duschkopf ganz nach oben, zog sich aus und duschte rasch – mit einem Stück altrosa Seife in Form einer Erdbeere und Babyshampoo. Keine Tränen, stand auf der Flasche. Schön wär’s, dachte er. Dann trocknete er sich mit einem rosa Badetuch ab, legte den kleinen Schlafanzug auf den Stuhl und baute sich mit Bettlaken, Kopfkissen und Steppdecke ein Lager auf dem Teppichboden. Dazu musste er Teddybären und Puppen aus dem Weg räumen. Die Plüschbären waren alle neu, und die Puppen sahen unberührt aus. Als er den Schreibtisch etwas zur Seite rückte, fielen alle Zeichnungen zu Boden. Wachsmalkreiden auf billigem Papier. Bäume wie grüne Lutscher an braunen Stielen, dahinter ein großes graues Gebäude. Das Dakota, vielleicht vom Central Park aus. Auf einem anderen Bild drei Strichmännchen, eines viel kleiner als die anderen. Vielleicht die Familie. Mutter, Tochter, Stiefvater. Mutter und Tochter lächelten, aber Lane war mit schwarzen Lücken im Mund gezeichnet, als hätte jemand ihm etliche Zähne ausgeschlagen. Das nächste Bild zeigte
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