Waylander der Graue
besser. Es war offener und einladender.
Ein Diener bot ihm etwas zu trinken an, doch er lehnte ab und schlenderte in den Saal. Er sah Niallad, der sich mit seinem Vater und dem großen, schlanken Grafen Ruall unterhielt. Der Bursche schien sich wieder unbehaglich zu fühlen, und Waylander sah auf seinem Gesicht Schweißperlen glitzern.
Als er an der neuen Tür zur Bibliothek ankam, versuchte Waylander sie zu öffnen, doch sie war von innen verschlossen.
Eldicar Manushan kam herbei. »Deine Kleidung ist sehr elegant«, sagte er. »Das Fehlen von Schmuck lässt die meisten Anwesenden hier wie Pfauen aussehen, mich eingeschlossen«, setzte er mit einem Grinsen hinzu.
»Ein ungewöhnliches Gewand«, stellte Waylander fest.
»Es ist mein Lieblingsstück«, sagte Eldicar. »Es ist aus der Seide eines seltenen Wurmes gewebt. Wärme und Licht verursachen den Wechsel der Farbe. In hellem Sonnenschein wird es golden. Ein schönes Stück.« Der Magier trat nahe an Waylander heran und senkte die Stimme. »Hast du über das nachgedacht, worüber wir gesprochen haben?«
»Ich habe es mir überlegt.«
»Willst du ein Freund Kuan Hadors werden?«
»Ich glaube nicht.«
»Ach, das ist schade. Aber das ist eine Sorge für einen anderen Tag. Genieße den Abend.« Der Magier klopfte ihm leicht mit der Hand auf den Rücken. In diesem Augenblick empfand Waylander eine plötzliche Kälte. Seine Sinne schärften sich, und sein Herz schlug schneller. Eldicar verschwand wieder in der Menge.
Waylander kam der Gedanke, dass er besser gehen sollte. Er ging zurück zur Terrasse. Er sah Niallad die Treppe hinaufsteigen. Er ging langsam., als ob er ganz gelassen wäre, doch Waylander spürte seine Anspannung. Niallad erreichte die Galerie und wandte sich nach rechts, seinem Zimmer zu. Traurigkeit überfiel Waylander.
»So ein Finsteres Gesicht an einem so fröhlichen Abend«, sagte der Priester Chardyn.
»Ich dachte gerade an die Vergangenheit«, antwortete Waylander.
»Keine schöne Vergangenheit, wie mir scheint.«
Waylander zuckte die Achseln. »Wenn man lange genug lebt, sammelt man auch schlechte Erinnerungen und nicht nur schöne.«
»Das stimmt, mein Freund. Obwohl einige schlimmer sind als andere. Du solltest immer daran denken, dass die QUELLE alles verzeiht.«
Waylander lachte. »Wir sind hier unter uns, Priester. Niemand kann uns hören. Du glaubst doch gar nicht an die QUELLE.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Chardyn mit gesenkter Stimme.
»Du hast dich gegen die Dämonen gestellt, und das macht dich zu einem tapferen Mann, aber du hattest keine Sprüche, keine Überzeugung, dass dein Gott stärker war als das kommende Unheil. Ich kannte einmal einen QUELLEN-Priester. Er war gläubig. Ich erkenne das, wenn ich es sehe.«
»Und du?«, fragte Chardyn. »Bist du gläubig?«
»Oh, ich glaube, Priester. Ich will es zwar nicht, aber ich glaube.«
»Warum hat die QUELLE dann nicht die Dämonen niedergestreckt, als ich darum gebetet habe?«
Waylander schüttelte den Kopf und lächelte. »Wer sagt denn, dass sie es nicht tat?«
»Eldicar Manushan hat sie vernichtet, und obwohl ich selbst nicht gerade heilig bin, erkenne auch ich Heiligkeit, wenn ich sie sehe.«
»Du meinst, die QUELLE nimmt nur gute Menschen als Werkzeuge? Das habe ich schon anders erlebt. Ich kannte einmal einen Mann, einen Mörder und Räuber. Er hatte die Moral einer Kanalratte. Dieser Mann gab sein Leben für mich, und davor half er dabei, ein ganzes Volk zu retten.«
Chardyn lächelte. »Wer kann mit Gewissheit sagen, dass es die QUELLE war, die ihn leitete? Wo waren die Wunder, das Licht am Himmel, die strahlenden Engel?«
Waylander zuckte die Achseln. »Mein Vater hat mir einmal eine Geschichte von einem Mann erzählt, der in einem Tal lebte. Ein großer Sturm erhob sich, und der Fluss trat über die Ufer. Das Tal wurde überschwemmt. Ein Reiter kam an dem kleinen Haus des Mannes vorbei und sagte: ›Komm, reite mit mir, denn dein Haus wird bald unter Wasser stehen.‹ Der Mann erklärte ihm, erbrauche keine Hilfe, denn die QUELLE würde ihn retten. Als das Wasser stieg, suchte der Mann Zuflucht auf seinem Dach. Zwei Schwimmer kamen vorbei und riefen ihm zu: ›Spring ins Wasser. Wir helfen dir, an Land zu kommen.‹ Wieder winkte er ab und sagte, dass die QUELLE ihn beschützen würde. Als er auf seinem Schornstein kauerte und der Donner die Luft erfüllte, kam ein Boot vorbei. ›Spring rein‹, rief der Bootsmann. Wieder weigerte er sich.
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