Waylander der Graue
mit seiner Tochter in der Sonne gelacht und gespielt hatte.
Dann schnitt er sich die Kehle durch.
Graf Panagyn hatte sich immer für furchtlos gehalten. Er hatte Schlachten geschlagen und sich sein ganzes Erwachsenenleben hindurch allen Feinden gestellt. So kam es, dass er das Zittern in seinem Bauch nicht als das erste Anzeichen von Panik erkannte.
Er rannte blindlings durch den Wald, stieß mit den Armen überhängende Äste zur Seite, ohne auf die Zweige zu achten, die ihm ins Gesicht zurückschnellten. Bei einer knorrigen Eiche blieb er stehen, um wieder Atem zu schöpfen. Schweiß rann ihm über das Gesicht, und sein kurz geschnittenes eisengraues Haar klebte ihm feucht am Schädel. Als er sich umschaute, war er nicht mehr sicher, wo der Pfad lag. Aber das spielte auch keine Rolle mehr. Am Leben zu bleiben war alles, was zählte. Da er ans Laufen nicht gewöhnt war, waren seine Beine verkrampft und schmerzten, und er sank nieder. Seine Schwertscheide blieb an einer Baumwurzel hängen, sodass der Griff des Kavalleriesäbels gegen seine Rippen stieß. Panagyn grunzte vor Schmerz und verlagerte das Gewicht auf das linke Bein, um seine Scheide freizubekommen.
Ein kühler Wind wehte zwischen den Bäumen. Er fragte sich, ob wohl einer seiner Männer überlebt hatte. Er hatte einige von ihnen davonlaufen sehen, ihre Armbrüste wegwerfen, in dem Versuch, es zurück zu den Felsklippen zu schaffen. Sicher konnte Waylander nicht alle getötet haben! Das war einfach unmöglich für einen Menschen. Ein Mann allein konnte doch nicht zwölf kampferprobte Männer töten.
»Nimm diesen Mann nicht zu leicht«, hatte Eldicar Manushan ihn gewarnt. »Er ist ein geübter Mörder. Matze Chai zufolge ist er der beste Attentäter, den die Welt jemals gesehen hat.«
»Willst du ihn lebend oder tot?«, hatte Panagyn gefragt.
»Töte ihn einfach«, hatte Eldicar geantwortet. »Aber denke daran, dass bei ihm eine Frau ist, die die Gabe des zweiten Gesichts hat. Ich werde dich und deine Männer mit einem Verhüllungszauber belegen, der verhindert, dass sie euch spürt. Aber das wird Waylander oder einen der anderen nicht hindern, euch mit ihren Augen zu sehen. Hast du das verstanden?«
»Natürlich, ich bin doch kein Idiot.«
»Nach meiner Erfahrung machen diese Bemerkung vor allem Idioten. Was die Priesterin angeht, wäre mir lieber, sie würde lebend gefangen, aber das mag unmöglich sein. Sie ist ein Bastard, ein Wergeschöpf. Sie kann zu einem Tiger werden. Sobald sie diese Gestalt annimmt, wirst du sie töten müssen. Wenn du sie in ihrer halbmenschlichen Form erwischst, fessle sie an Händen und Füßen und verbinde ihr die Augen.«
»Was ist mit den anderen?«
»Töte sie alle. Sie sind nutzlos.«
Panagyn hatte seine zwölf Männer sorgfältig ausgesucht. Sie alle hatten an seiner Seite schon in zahlreichen Schlachten gekämpft. Kühle Männer, hart und zäh, sie würden nicht in Panik geraten und davonlaufen. Und sie würden sich nichts dabei denken, Gefangene zu töten.
Wo war es also schief gelaufen?, überlegte er.
Er hatte richtig vermutet, dass Waylander versuchen würde, über die Hochpässe zu entkommen, und hatte seine Männer in raschem Ritt in ein Gebiet geführt, das als Parsitas Felsen bekannt war. Dort hatten sie die Pferde zurückgelassen und die gewaltige Felswand erklommen, sodass sie oberhalb der Flüchtlinge herauskamen. Von hier aus waren sie durch den Wald geschlichen und hatten beiderseits des Pfades Position bezogen und die Armbrüste gespannt. Tief unter ihnen hatte Panagyn die Reiter gesehen und einen Blick auf die kahlgeschorene Priesterin erhascht, die zu Fuß hinter ihnen ging. Panagyn hatte seinen Männern befohlen, hoch zu zielen, um die Reiter zu töten und die Priesterin lebendig gefangen nehmen zu können.
Panagyn selbst hatte sich neben einem der Bogenschützen links des Pfades niedergekauert und sich hinter einen dicken Busch geduckt. Dort hatte er schweigend gewartet und auf den Klang von Hufen auf dem festgetrampelten Pfad gelauscht. Die Zeit verging. Ein Schweißtropfen rann über Panagyns Wange. Er rührte sich nicht, um ihn wegzuwischen, da er kein Geräusch machen wollte. Das Klippklapp von Pferdehufen wehte zu ihm herüber. Er warf einen Blick auf den Schützen, der seine Waffe an die Schulter hob.
Dann ein dumpfer Aufprall und ein Krachen von der anderen Seite des Pfades. Irgendjemand schrie auf. Darauf folgte ein ersticktes Gurgeln, dann Stille. Panagyn riskierte einen
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