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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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kehrte Keeva in den Großen Saal zurück und bewegte sich durch die Menschenmenge. Die Musiker hatten ihr Spiel für eine kurze Pause unterbrochen und bedienten sich mit Erfrischungen, und die meisten der Adligen standen in kleinen Gruppen zusammen. Sie schwatzten und lachten, es herrschte fröhliche Stimmung. Noch immer war von dem Grauen Mann nichts zusehen, doch Keeva sah den einzigen Edelmann, den sie kannte, Graf Aric vom Hause Kilraith. Prachtvoll gekleidet in eine grau und schwarz gestreifte Tunika aus schwerer Seide, eingefasst mit silbernen Tressen, stand er dicht bei der Terrasse und unterhielt sich mit der jungen Frau, die Keeva vorher gesehen hatte, als sie einen Bissen aus dem Mund ihres Begleiters nahm. Die beiden lachten, und Keeva sah, wie Aric sich vorbeugte und der Frau etwas ins Ohr flüsterte. Aric war ein gut aussehender Mann, schlank und elegant, mit feinen Zügen, wenn die Nase auch ein wenig zu lang war, dachte Keeva. Er sah jünger aus, als sie ihn in Erinnerung hatte, das Haar war gleichmäßig schwarz. Keeva meinte sich zu erinnern, dass er schon graue Fäden im Haar hatte, als er im vergangenen Jahr durch ihr Dorf geritten war. Und sein Gesicht war aufgedunsener gewesen. Er hat sich wahrscheinlich die Haare gefärbt, dachte sie, und ein bisschen abgenommen. Es stand ihm.
    Unmittelbar hinter ihnen stand ein großer, breitschultriger Mann mit schwarzem Bart und tiefliegenden Augen. Er trug ein knöchellanges Gewand aus tiefblauem Samt, das mit Silberfäden bestickt war. In der rechten Hand hielt er einen langen Stab mit einem kunstvoll verzierten Silberknauf. Der Mann stand ruhig da und hielt einen blonden Jungen von etwa acht Jahren an der Hand. Keeva ging auf sie zu. Der große bärtige Mann trat aus den Schatten der Terrassentür, und Keeva fühlte, wie er sie betrachtete. Es war ein Schock, denn sie hatte sich daran gewöhnt, für diese Leute unsichtbar zu sein. Er hatte große dunkle Augen unter schweren Lidern.
    »Etwas zu trinken, Herr?«, fragte sie.
    Der große Mann nickte. Sein Gesicht war breit, ein Eindruck, der durch den dichten schwarzen Bart noch verstärkt wurde. Er ließ die Hand des Jungen los und nahm einen Kristallkelch mit Rotwein. »Ich ziehe weißen vor«, sagte er leise. Er lächelte sie an und hielt den Kelch hoch. Sofort begann die Farbe daraus zu entweichen, verblasste zuerst zu einem leuchtenden Rot, dann zu einem tiefen Rosa, bis die Flüssigkeit schließlich wasserklar war. Keeva blinzelte, und der Mann kicherte, dann kostete er den veränderten Wein. »Ausgezeichnet«, sagte er.
    Sie blickte zu dem schweigenden Jungen hinunter. Seine strahlend blauen Augen begegneten ihrem Blick, und er lächelte scheu. »Kann ich etwas für deinen Sohn holen?«, fragte sie den Bärtigen.
    Er lächelte und fuhr dem Knaben durch die Haare. »Er ist mein Neffe und mein Page, nicht mein Sohn. Und ja, das wäre sehr freundlich.«
    »Wir haben Saft aus Äpfeln, Birnen oder Pfirsichen«, erklärte sie dem Jungen. »Was möchtest du lieber?«
    Der Junge blickte zu dem Bärtigen auf, der sich an Keeva wandte. »Er ist sehr scheu, aber ich weiß, dass er Birnensaft liebt. Lass mich dich von deinem Tablett befreien, während du ihn holst.«
    Unverzüglich schwebte das Tablett aus Keevas Händen und blieb in der Luft hängen, bis es sich auf einem kleinen Beistelltisch niederließ. Keeva klatschte begeistert in die Hände, und der kleine Junge lächelte.
    »Komm schon, mein Freund«, sagte Graf Aric. »Du musst deine Künste für die aufsparen, die sie am meisten zu schätzen wissen.«
    Keeva ging rasch nach unten, füllte einen Becher mit gekühltem Birnensaft und ging in den Ballsaal zurück. Der Junge nahm das Getränk mit einem dankbaren Lächeln und nippte daran.
    Graf Aric fasste den Bärtigen am Arm und führte ihn in die Mitte des Saales. Ein Windhauch fuhr durch die offene Terrassentür. Keeva seufzte vor Erleichterung, denn ihre Kleider klebten ihr in der Hitze am Leib. Es war nicht nur eine warme Sommernacht, die Laternenflammen und die Hunderte von Menschen im Saal produzierten eine fast unerträgliche Hitze.
    In der Mitte der Halle befahl Graf Aric zwei Dienern, einen Tisch heranzuschieben. Dann sprang er hinauf und reckte die Arme in die Höhe. »Freunde!«, rief er. »Ich habe mir erlaubt, ein wenig für eure Unterhaltung zu sorgen! Ich bitte euch, aufs Herzlichste, Eldicar Manushan zu begrüßen, der kürzlich aus seiner angostinischen Heimat hier eingetroffen ist!« Damit

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