Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
Hinterkopf behalten, dass eine nachdrückliche Reaktion genau das sein könnte, was New Tuscany von uns will.«
»Das wäre möglich«, stimmte Medusa ihm zu, »aber andererseits sehe ich keine Alternative. Wir können es mit Sicherheit nicht ignorieren, wenn der Premierminister von New Tuscany uns eine offizielle Note übersendet, in der er eine unserer Pinassen beschuldigt, vorsätzlich auf ein tuscanianisches Handelsschiff gefeuert und es mit sämtlichen Besatzungsmitgliedern vernichtet zu haben – und damit zu implizieren, dass wir lügen, anstatt Commander Dentons Verantwortung dafür zuzugeben. Aus unserer Analyse der Daten geht eindeutig hervor, dass nichts dergleichen geschehen ist, aber außer uns und den Tuscaniern besitzt niemand Material, das er sich ansehen kann. So sehr es mir missfällt, es bedeutet, dass hier um Glaubwürdigkeit gekämpft wird und nicht um etwas, das durch das Vorlegen von Beweismaterial vor einem interstellaren Gerichtshof gelöst werden könnte. Und wenn dem so ist, dann dürfen wir erst recht nicht zulassen, dass die tuscanianische Version des Geschehenen unwidersprochen stehen bleibt.«
Sämtliche Raumoffiziere am Tisch nickten nüchtern. Sie hatten die Sensordaten, die Commander Denton zusammen mit seinem Bericht übersandt hatte, durch taktische Simulatoren und Computer laufen lassen, die weitaus leistungsfähiger waren als die Systeme an Bord der Reprise. Leider war man dabei an die Grenzen des Möglichen gestoßen. Wie Denton sagte, waren die Daten spärlicher, als man sich gewünscht hätte. Die Reprise war ein einzelner Zerstörer, der mit seinen ausgesetzten Ortungsplattformen ein ganzes Sonnensystem im Auge behalten musste. Nichts hatte sie vorgewarnt, dass sie die Helene Blondeau genauer beobachten müssten, und keine der Drohnen hatte im entscheidenden Moment in die richtige Richtung geblickt. Das zur Verfügung stehende Material stammte fast ausschließlich von den Bordsensoren der Reprise, und auch sie hatten ihre Aufmerksamkeit im entscheidenden Augenblick nicht auf das tuscanianische Handelsschiff gerichtet.
Trotz all dieser Nachteile war den Auswertern förmlich ins Auge gesprungen, dass Denton recht haben musste: Eine interne Explosion hatte die Helene Blondeau vernichtet. Oder genauer gesagt, der Frachter war durch ein einziges Explosionsereignis vernichtet worden, das aus acht – nicht nur den sieben von Denton identifizierten – gleichzeitigen Detonationen bestanden hatte, die in gleichen Abständen über ihren Rumpf verteilt gewesen waren. Dabei hatte es sich nicht um eine Abfolge von Explosionen gehandelt, die sich, wie schnell auch immer, von einer einzigen Ursprungsstelle ausbreiteten, wie es bei so gut wie jeder vorstellbaren »natürlichen« Katastrophe der Fall gewesen wäre … und wie es auch hätte sein müssen, wenn die Explosionen durch in den Rumpf einschlagenden Beschuss mit Energie- oder Lenkwaffen verursacht worden wäre. So viele Detonationen konnten sich nur auf eine Weise gleichzeitig im ganzen Schiff ereignen: durch mit Bedacht platzierte Sprengladungen. Für die Experten bestand keine Frage: Die Tuscanier hatten ihr Schiff selbst zur Explosion gebracht.
»Ich werde nicht zu den Medien gehen und ihnen unsere Analyse aushändigen«, fuhr Medusa fort. »Ich bin vollkommen überzeugt, dass sie zutrifft, aber wir sehen in den Nachrichten nicht gut aus, wenn wir behaupten: ›Das waren sie selber!‹ Das ist eine Art kindlicher Verteidigung, die bestenfalls schwach erscheint, besonders wenn sie auf einer anfechtbaren Analyse unzureichender Informationen oder Daten beruht. Und wer sich das ausgedacht hat, ist offensichtlich über unsere diplomatischen Zänkereien mit Haven im Bilde – die nicht besser geworden sind, nachdem wir die Republik nun beschuldigen, den Gipfel sabotiert zu haben und sie abstreitet, irgendetwas mit irgendwelchen Mordanschlägen zu tun gehabt zu haben. Dadurch können wir uns nicht auf diese Taktik zurückziehen.
Dennoch ist es unerlässlich, dass wir klar und unmissverständlich erklären, in keiner Weise für das Geschehene verantwortlich zu sein. Wir können eigene Sensordaten und die Ergebnisse unserer internen Anhörung vorlegen, um unsere Unschuld zu untermauern, ohne notwendigerweise irgendeine Anschuldigung zu erheben, jemand anderer wäre für die Katastrophe verantwortlich. Mehr brauchen wir nicht zu tun: Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Seite der Geschichte so klar und so nachdrücklich präsentiert
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