Wechsel-Wind
sehr vorsichtig; es konnte eine Falle sein. Deshalb täuschte Gerte zunächst ein Eindringen vor, die beiden Zentaurinnen dicht auf den Fersen. Und tatsächlich, aus allen Richtungen wallte der Nebel heran, und die Öffnung schloß sich. Aber die Gruppe hatte gerade noch rechtzeitig abgedreht und touchierte nur den Außenrand des Wolkenwalls. Nun konnte kein Zweifel mehr bestehen: Happy Bottom war auf sie aufmerksam geworden und hatte versucht, sie in die Irre zu locken. Aber der Plan war sehr simpel gewesen; vermutlich unterschätzte der Möchtegern-Hurrikan seine Angreifer. Sie flogen weiter die Seite entlang, bis sie eine Stelle erreichten, die dünn geworden war, weil Happy Bottom von dort all den Nebel für die Falle abgezogen hatte. Dort stürzten sie sich hinein. Der Sturm mußte wissen, welchen Weg sie nahmen, aber er konnte nicht schnell genug reagieren, denn sie hatten ihn überrumpelt. Als Wind und Nebel sich um sie zu schließen drohten, befanden sie sich bereits in der nächsten Windschicht.
Offenbar beschränkte sich die Gewalt des Hurrikans hauptsächlich auf die Wolkenschichten, wo der Zauberstaub am dichtesten war. Nun aber erschien es unwahrscheinlich, daß sie Happy Bottom noch einmal überlisten konnten.
Sie flogen an die nächste Wolkenschicht heran, aber sie bestand aus undurchdringlichem Nebel. Jeder Versuch, sich einen Weg hindurchzubahnen, erschien von vornherein zum Scheitern verurteilt. Einen weiteren Gewaltvorstoß in das Innere des Nebels wollten sie lieber nicht riskieren.
»Vielleicht können wir uns darunter herschleichen«, schlug Gerte vor. »Die Hügel und Bäume müssen den Windschichten doch ins Gehege kommen. Dort muß es Löcher geben, an denen Happy Bottom nichts ändern kann.«
Sie sanken hinunter, und tatsächlich fanden sie eine durchsichtige Zone auf der Leeseite eines Bergs. Sie schossen dicht unter der Unterkante einer Nebelschicht über das Gelände dahin, dann stiegen sie in die nächste klare Luftschicht hinauf.
»Seht nur!« rief Chena. »Das muß das Auge sein!«
Mit Sicherheit war es das! Wie ein gewaltiger Augapfel rotierte es innerhalb des riesigen Wolkenrings, der die innerste Wolkenschicht bildete. Und genau dies mußten sie nach Norden treiben.
Sie stiegen hinter das kugelförmige Gebilde auf und schwebten in der fast windstillen Luft. Dann orientierten sie sich nach Norden, und David zog den Reißverschluß der Windjacke auf und öffnete sie abrupt. »Los!« brüllte er.
Aber nichts geschah.
Die beiden Zentaurinnen sahen ihn an, und Gerte flog dicht zu ihm auf. »Mußt du vielleicht irgendeine Beschwörungsformel sprechen?«
»Davon hat Nimby nichts gesagt«, antwortete David verstimmt. Was hatte er denn nur falsch gemacht? Anstatt irgendwie Böen auszustoßen, verhielt die Jacke sich absolut ruhig.
Dann knackten Davids Trommelfelle. »Au! Das fühlt sich ja an wie in einem Flugzeug!« rief er und drehte heftig den Kopf hin und her.
»Ich glaube, der Umgebungsdruck steigt«, sagte Keaira. »Das ist eigenartig, denn es ist nicht mein Tun.«
»Der Hauch einer Brise strömt auf uns zu«, stellte Crystal fest. »Das spüre ich in der Mähne.«
»Aber von uns geht kein Wehen aus«, beklagte Gerte. »Und wir brauchen einen starken Windstoß nach vorn.«
Da begriff Chena. »Die Windjacke ist schuld! Luft strömt hinein, kommt aber nicht mehr heraus. Sie sammelt sich rings um die Jacke, und dadurch baut sich ein Überdruck auf.«
»Und Hochdruck treibt den Tiefdruck vor sich her – und das Auge eines Sturms ist ein Tiefdruckgebiet«, fügte Crystal hinzu. »So funktioniert das also! Wir haben nichts weiter zu tun, als den Überdruck groß genug werden zu lassen.«
»Und daß er sich aufbaut, das spüre ich«, sagte David. »Meine Trommelfelle fühlen sich an wie ein Paar Bongos.« Er hielt sich die Nase zu und blies heftig, bis er wieder ein Knacken in den Ohren hörte.
»Seht nur!« rief Chena. »Das Auge setzt sich in Bewegung!«
Tatsächlich. Zwar ging kein echter Wind, aber das Hochdruckgebiet schob das Auge allmählich vor sich her.
Das Auge registrierte die Veränderung. Es fuhr herum und richtete seine sturmwolkengraue Iris auf die Eindringlinge. Es blinzelte. Es riß die Pupille auf. Es hatte sie gesehen!
»Weitermachen!« rief Gerte. »Wir müssen das Auge davontreiben!«
David versuchte es, das Auge jedoch glitt zur Seite, anstatt sich nach Norden treiben zu lassen. Chena flog ebenfalls zur Seite, um sich wieder genau südlich von ihm
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