Wechsel-Wind
schon sagte, hast du nur einen einzigen Tropfen Blut in dir, und sie ist erheblich saftiger. Aber ich möchte den großen Sinnzusammenhang verstehen. Verrate ihn mir, und ich lasse dich ziehen.«
Aber was sollte Tweeter ihm sagen? Daß sie diesen rückwärts gerichteten Faden bekommen mußten, um damit eine neue Handlung zu knüpfen, bevor der alte Strang vollends zerriß? Das würde der Vampir erst recht nicht glauben, denn die ganze Angelegenheit war schlichtweg unglaubwürdig.
»Na, komm schon, Vögelchen«, drängte Gestalt ungeduldig, »ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Meine letzten Opfer sind mir alle entkommen, und ich bin wirklich hungrig. Wenn die saftige Jungfrau fort ist, wenn ich mit dir fertig bin, dann werde ich überaus ungehalten sein.« Er zog die Mundwinkel auseinander und bleckte seine Vampirzähne.
Dann ging Tweeter ein Licht auf. Nur ein schwaches Licht, das nicht im geringsten an die strahlenden Lichter heranreichte, die Chlorine aufgingen, wenn sie eine Idee hatte, aber es reichte aus, um seinen kleinen Verstand zu erhellen. Plötzlich wußte er genau, was er Gestalt sagen mußte.
»Soso, anscheinend hast du beschlossen zu kooperieren«, sagte der Vampir. »Bringen wir's also hinter uns. Ein Nicken für Ja, zwei für Nein, drei als Zeichen, daß eine Nachfrage erforderlich ist. Einverstanden?«
Tweeter nickte einmal. Gestalt war offenbar jemand, der rasch das Wesentliche erfaßte.
»Du bist gekommen, um etwas zu holen?«
Ein Nicken: Ja.
»Den Knopf?«
Nicken, nicken: Nein.
»Aber sicher nicht meinen Umhang?«
Ja – nein.
Gestalt begriff. »Schlechte Formulierung. Aber was denn sonst… – den Faden?«
Ja.
»Aber das ist ein ganz besonderer Faden. Er kehrt…«
Ja.
»Aha, du kennst also seine Fähigkeiten. Ich benötige diesen Faden, um den widerspenstigen Knopf zu zähmen.«
Nicken, nicken, nicken.
»Das ist noch nicht alles? Wie willst du mich überzeugen, mich von meinem magischen Faden zu trennen?«
Nicken, nicken, nicken.
Gestalt lächelte. »Stimmt. Ich muß spezifischere Fragen stellen. Kannst du mir ganz ehrlich versprechen, daß ich davon profitiere, wenn…«
Ja.
»Ja? Es wäre für mich von Vorteil, mich von dem Faden zu trennen?«
Ja.
Gestalt strich sich über einen Fangzahn. »Das klingt interessant. Es wäre für mich von Vorteil in bezug auf meinen Umhang?« Nicken, nicken. »Mein Haus – nein. Meinen Schlaf – nein. Meine Ernährung – ja.« Dann machte der Vampir einen doppelten Gedankensprung – oder zumindest doch anderthalb. »Willst du mir sagen, daß der Faden meine Ernährung stört?«
Ja.
Gestalt strich sich über den anderen Fangzahn. »Dann laß mich überlegen, ob ich deine Argumentation zurückverfolgen kann. Dieser Faden stammt von Josua, dem berühmten Umkehrzauberer, mit dem mich eine gewisse Freundschaft verbindet. Der Faden kehrt Dinge um. Er kehrt die widerspenstige Natur des Knopfes um. Willst du behaupten, daß das noch nicht alles ist?«
Ja.
»Was würde der Faden sonst noch umkehren? Mein Schicksal? Mein…« Dann leuchtete eine große Glühbirne über seinem Kopf auf. »Meine Beute! Wenn ich mich meinen Opfern nähere, kehrt er ihre Natur um, und sie werden unzugänglich. Anstatt von meiner Aura eingelullt zu werden, so daß ich sie widerstandslos aussaugen kann, erschrecken sie vor mir und fliehen. Und da sie nur ins Sonnenlicht zu treten brauchen, kann ich sie nicht verfolgen. Und so ändert sich auch mein Schicksal – durch die Gegenwart des Kehrfadens!«
Jawohl. Mit erstaunlicher Präzision hatte er die Kausalkette zurückverfolgt, nachdem er einen Hinweis erhielt.
Genau dieser Gedanke hatte Tweeters kleine Glühbirne zum Leuchten gebracht.
Der Vampir Gestalt lächelte. »Wir haben einen Handel geschlossen, und du hast dich deinen Teil erfüllt. Du hast mir aufgezeigt, warum ich mich von diesem Faden trennen muß. Du brauchst ihn, ich brauche ihn nicht. Folglich werde ich ihn dir überlassen und dir die Freiheit wiedergeben, aber nur unter einer Bedingung.«
Nicken, nicken, nicken?
»Daß du ihn so weit von mir entfernst, daß er mir nie wieder nahekommt. Einverstanden?«
Ja!
Der Vampir fädelte den Faden von seinem Umhang ab und löste den Knopf, der augenblicklich widerspenstig wurde. Dann reichte er den Faden an Tweeter, der ihn in den Schnabel nahm. Auf der Stelle durchfuhr ihn ein merkwürdiges Gefühl. Tweeter breitete die Flügel aus und wollte aufsteigen, aber er sank einfach auf den Tisch.
»Er
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