Wechsel-Wind
mir sogar erzählt, weshalb er mir hilft«, fuhr Chlorine fort. Sie hob eine Hand, als jemand etwas einwenden wollte; aber Jim mußte auf die Straße achten und konnte deshalb nicht länger nach hinten sehen. »Ja, jetzt ist Nimby stumm, aber zuerst konnte er sprechen. Er sagte, er brauche meine Begleitung und würde alles tun, damit es sich für mich lohnt. Aber er warnte mich, daß er nur zu dieser einen Gelegenheit sprechen könne, und seitdem war er immer stumm. Aber er versteht, was man sagt, und kann durch Gesten antworten.«
»Aber was, wenn er dir etwas Wichtiges zu sagen hätte?« fragte Sean, der vielleicht doch von etwas anderem als Chlorines Aussehen gefesselt wurde. »Was zum Beispiel, wenn er dich vor einer furchtbaren Gefahr warnen will, von der du nicht weißt, daß sie auf dich zukommt. Dann könntest du ihm doch gar keine Ja-Nein-Fragen dazu stellten.«
»Na, das weiß ich jetzt auch nicht. Nimby, ist da irgend etwas von der Art?«
Nimby drehte sich nach hinten und nickte.
»Etwas Wichtiges? Etwas, das zu kompliziert ist, als daß man einfach durch Raten darauf kommen könnte?«
Nimby nickte wieder.
Nun schien Chlorine mit ihrem Latein am Ende zu sein. »Aber wie kann ich dich etwas fragen, wenn ich nicht weiß, was ich dich fragen soll?« fragte sie klagend.
»Vielleicht kann er es aufschreiben«, schlug David vor.
»Aber ich kann nicht lesen«, erwiderte Chlorine. »Außer großen Schildern und kurzen Wörtern, meine ich. Die Schilder sind magisch, damit jeder sie lesen kann, sogar Tiere. Ich kann aber nichts Kompliziertes lesen. Ich bin von der Zentaurenschule geflogen.«
Also ist sie im Grunde eine Analphabetin, dachte Jim.
Sean lachte. »Na, dann sag Nimby doch, er soll dir das Lesen beibringen.«
Licht flammte auf, gefolgt von einem ungläubigen Keuchen. »Da ist gerade ein Glühbirne über deinem Kopf erschienen!« schrie Karen. »Und sie war an!«
»Ja, natürlich«, bestätigte Chlorine. »Mir ist klargeworden, daß Sean recht hat. Seine Idee ist einfach großartig. Nimby, mach mich des Lesens und Schreibens kundig, damit ich lesen kann, was du schreibst, ganz egal, wie kompliziert es ist. Und schreib mir auf, was ich wissen muß.«
Auf der Stelle zog der junge Mann einen Schreibblock und einen Stift hervor und begann zu schreiben. Jim nickte; die Magie hatte offenbar schon einige Vorteile. In Mundanien jedenfalls gab es keine Nürnberger Trichter.
»Da fällt mir noch etwas ein«, sagte Jim. »Das hier ist ja nun mal eindeutig nicht unser Heimatland, und die Regeln hier sind völlig anders. Wie kommt es dann aber, daß du und die Zentauren ausgerechnet unsere Sprache sprechen?«
»Oh, das ist ein Teil der Magie von Xanth«, antwortete Chlorine. »Hier sprechen alle die gleiche Sprache. Alle Leute, meine ich. Tiere sprechen ihre eigenen Sprachen, die sich von unserer unterscheiden, deshalb verstehen wir sie normalerweise nicht. Aber häufig verstehen sie uns.«
»Wir haben sogar Tiere«, sagte Sean. »Aber keine sprechenden.«
»Oh, sie können auf jeden Fall sprechen, zumindest so lange, wie sie in Xanth sind. Sie brauchen nur jemanden wie Grundy Golem, der ihre Worte dolmetscht.«
»Wen?«
»Ein aufdringlicher kleiner Golem, der alle Sprachen spricht.«
Mittlerweile hatte Nimby seine Schreibarbeit beendet. Er reichte den Block nach hinten.
Chlorine nahm ihn entgegen und sah auf die saubere Handschrift. »Ich kann's wirklich lesen!« rief sie. »Ich kann's! Ich bin gebildet! Das ist einfach umwerfend!«
»Was steht denn da?« wollte David wissen.
»Oh. Ja.« Sie konzentrierte sich, dann las sie laut vor. ›»An der Eidechsenstraße lauern Kobolde unvorsichtigen Reisenden auf und haben eine Falle gestellt, die Illusion einer Absperrung mit Umleitungsschild. Dadurch sollen Reisende in die Falle gelockt werden, damit die Kobolde sich auf sie stürzen und sie als Einlage für die Suppe fangen können.‹«
»Heißt das, was ich glaube, das es heißt?« fragte Mary entsetzt.
»Wenn du glaubst, es heißt, daß Kobolde Menschen lebend kochen, dann ja«, antwortete Chlorine. »Kobolde sind überaus gemein und unbarmherzig.« Sie las weiter. »›Weil ich dich vor Gefahr schützen muß und du in Gefahr gerätst, wenn diese Mundanier in die Falle gehen, muß ich dir verraten, wie ihr sie umgehen könnt. Schenkt der Illusion keine Beachtung; fahrt einfach hindurch, ohne langsamer zu werden. Die Kobolde können den Wagen nicht angreifen, solange er so schnell
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