Wechsel-Wind
dem Rücksitz und schlief fest, Dad saß vorn neben Mom. Tweeter hockte in ihren Haaren, und Woofer lag neben Sean auf dem Boden zusammengerollt. Also war die Nacht vorüber, und Mom mußte ziemlich geschafft sein. Aber dafür konnten sie nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt sein.
Karen schaute aus dem Fenster. Dicke Baumäste schwangen vor dem Wohnmobil herab, als wollten sie den Weg versperren. Karen blinzelte und rieb sich die Augen. Hatte sie das wirklich gesehen?
»Sagt ihnen, daß ihr gekommen seid, um Xanth vor dem widrigen Wind zu retten«, riet Trenita.
Mom kurbelte ihr Fenster herunter und wiederholte die Worte der Impin. Die Äste schwangen zurück und gaben den Weg frei. Das Wohnmobil setzte sich wieder in Bewegung.
»Die Wächterbäume behüten das Schloß sehr gut«, erklärte Trenita, »aber auch sie spüren schon die Wirkung des Zauberstaubs.«
Der Wagen erreichte einen wunderschönen Garten – in dem es, soviel stand fest, Kuchenbäume in Hülle und Fülle gab. »Schloß Roogna!« rief Karen. »Wir bekommen Schokoladenkuchen zum Frühstück!«
Davon wurde auch David wach. »Wow«, meinte er und blickte entzückt um sich.
Das Schloß kam in Sicht – das prächtigste Bauwerk, das Karen je erblickt hatte. Das Licht der Morgensonne hüllte es ein, daß es leuchtete, und Funken schienen es glitzernd zu umspielen. Das Schloß besaß einen Wassergraben und einen Wall und Türmchen und Kuppelgewölbe und Flaggen und Wimpel und auch sonst alles, was zu einem Schloß gehört. »Ooooooh«, hauchte Karen anerkennend.
»Oooooooohhhh!« äffte David sie spöttisch nach, aber er verstellte sich, denn auch er war zutiefst beeindruckt. Nachdem sie so viel von Xanths Urwäldern und Illusionen gesehen hatten, bedeutete das Schloß eine willkommene Abwechslung.
Die Zugbrücke war hochgezogen, wurde nun jedoch gesenkt, und ein Mädchen in Bluejeans eilte aus dem Schloß heraus. Sie war schlank, ungefähr sechzehn Jahre alt und trug einen Pferdeschwanz. Offensichtlich handelte es sich um eine Magd.
»Hallo!« rief sie, als sie am Wohnmobil ankam. »Ihr müßt die Mundanier sein. Willkommen im Schloß Roogna. Ich bin Electra.«
»Ja, wir sind die mundane Familie«, antwortete Mom. »Wir sollen Xanth vor dem widrigen Wind retten, aber jemand aus dem Schloß sollte uns sagen, wie, und was wir dazu tun müssen.«
»Klar doch. Kommt rein«, sagte Electra. »Nach so langer Reise in dem fahrenden Haus müßt ihr doch müde sein.«
»Das sind wir«, bestätigte Mom. »Aber wir sind wohl kaum darauf vorbereitet, ein Königsschloß zu betreten. Wenn jemand zu uns herauskäme und uns Anweisungen geben würde, könnten wir uns bald wieder auf den Weg machen.«
»Oh, aber ihr müßt ins Schloß kommen«, entgegnete das Mädchen. »König Dor besteht darauf.«
»Aber wir sind ungewaschen und zerzaust«, protestierte Mom.
»Und hungrig«, fügte David hinzu. Das war mal wieder typisch für ihn!
»Ja, sicher«, stimmte Electra zu. »Wir sorgen schon dafür, daß ihr uns sauber, getrimmt und gesättigt wieder verlaßt.«
»Und außerdem haben wir drei Haustiere dabei«, fuhr Mom fort.
»Auch sie sind willkommen«, erklärte das Mädchen enthusiastisch. Sie sah nach hinten, von wo ein unscheinbarer junger Mann näherkam. »Da ist Dolph – er wird's euch bestätigen.«
»Wenn du wirklich meinst…«, begann Mom zögerlich.
Trenita ergriff das Wort. »Sie meint es wirklich. Das ist Prinzessin Electra. Und dort kommt Prinz Dolph.«
»Prinzessin?« quietschte Karen.
»Aber natürlich. Ich hätte sie an ihrem Auftreten erkennen sollen. Sie gibt sich stets sehr ungezwungen. Das dort ist ihr Ehemann, Prinz Dolph. Ich habe erst den richtigen Schluß gezogen, als ich seinen Namen hörte.«
Mom hatte genau zugehört und paßte sich, wie es ihre Art war, geschmeidig an die neue Lage an. »Wir kommen sehr gern ins Schloß, Electra. Aber wir haben wichtige Dinge zu tun, deshalb können wir nicht lange bleiben.«
»Ja, der Gute Magier sandte den Grauen Murphy, um sich darum zu kümmern«, antwortete Electra. »Er wird mit euch sprechen, sobald ihr soweit seid. Kommt mit; ich zeige euch, wo.«
Sie verließen das Wohnmobil; Karen setzte Trenita vorsichtig auf den Boden. Die Impin hatte betont, daß sie im Riesenreich der Menschen für Hilfe, die nicht viel Aufhebens macht, sehr dankbar sein würde.
»Oh, eine Impdame!« rief Electra erfreut aus.
»Ich bin Trenita Imp aus dem Dorf Erial«, stellte sie sich förmlich vor.
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