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Weg da, das ist mein Handtuch

Weg da, das ist mein Handtuch

Titel: Weg da, das ist mein Handtuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Spörrle
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Männer. All das schickten seine Verwandten in ein Dorf im Erzgebirge, wo man danach schier verrückt war. Und so gab es Riesenärger, als man irgendwann merkte, dass er seit Monaten schon den Blumenfrauen Mordsbusen und den Blumenmännern Monstergesichter verpasste. Javier wurde von seinem Stiefvater ausgepeitscht und zweimal im Wald ausgesetzt, fand aber mit Hilfe von Kieselsteinen jedes Mal wieder zurück. Schließlich verkauften ihn seine Verwandten als Trainingstorero an eine wandernde Stierkampfshow. Javier haute ab, schlug sich als Zeitungsausträger durch und studierte auf dem zweiten Bildungsweg Theaterwissenschaft, Philosophie und Deutsch. Dann habe er in Clubs als Animateur angefangen zu arbeiten, und davon sei er nicht mehr losgekommen. Nicht mal, als er erfahren habe, dass er der außereheliche Sohn eines Madrider Industriellen sei und geerbt habe, eine Fabrik, Häuser, Villen. Es mache ihm einfach zu großen Spaß, etwas mit Menschen, für Menschen, zu tun. »Vielleicht kann ich dir ja irgendwie helfen«, sagte er, »du hast so traurige Augen, das ist mir schon vor ein paar Tagen aufgefallen, das tut mir sehr leid. Du wurdest enttäuscht, ja?«
    Sie nickte.
    Er fragte, ob sie reden wolle, ob es ihr guttäte.
    Sie schüttelte den Kopf, und ihr kamen wieder die Tränen.
    Dass er tröstend ihre Hand nahm, störte sie gar nicht.
    MARIO
    Nach dem Essen war er kurz in den Raum abgebogen, in dem sie hier die Reinigungsmittel aufbewahrten. Er hatte sich eine Dreiliterflasche Putzmittel gegriffen, unter dem T-Shirt ins Zimmer geschmuggelt und in seinem Koffer versteckt.
    Morgen Abend würde er damit eins drauflegen. Jetzt kam erst mal Punkt vier auf der Liste: nächtliche Ruhestörung. Brachte schlappe zehn Prozent.
    Er machte den Fernseher an. Drehte die Lautstärke auf, schlug gegen die Wände und brüllte: »Ruhe! Ruhe! Ruhe!«
    Dann drehte er den Fernseher lauter und brüllte wieder.
    Morgen würde er sich über den tierischen Lärm beschweren, und die Zimmernachbarn würden das bestätigen können. Es dauerte bloß etwas, bis er eine Position fand, in der er trotz des lauten Fernsehers einschlafen konnte.
    PETE
    Er wachte auf. Da war Lärm. Der Fernseher seiner Nachbarn. Er wollte schon wieder wegdämmern in die wattige wohlige Dunkelheit, da merkte er, dass das Fernsehergeräusch anders war als sonst. Es kam nicht von nebenan. Es kam von unten. Und dann schlug da jemand gegen die Wand und brüllte. Es gab hier also noch mehr Eingeschlossene. Irgendwie hatte er das schon gespürt: All die Leute, die ihn nicht beachtet hatten, das konnte kein Zufall sein. Pete fiel das Lied »Hotel California« von den Eagles ein. Er kicherte. Dann summte er die Melodie leise vor sich hin.
    Da klopfte es. Hinter der Zwischenwand klopfte einer. Und rief etwas. Der Fernseher von unten war so laut, Pete musste das Ohr an die Wand legen.
    »Ruhe, du Penner!«, rief jemand. »Das ist ein Familienhotel, dass das klar ist! Hey, du Penner! Du intolerante Sau! Hörst du mich? Dir zeigen wir es jetzt!«
    Sie meinten ihn. Sie nahmen Kontakt auf. SIE HATTEN IHN BEMERKT!
    Petes Stimme war nur noch ein Fisteln. Aber er fistelte zurück. In der Hoffnung, endlich würde jemand vor Wut seine Tür eintreten, kreischte Pete all die niveaulosen Nazi-Vergleiche, die die englische Hochkultur für den Dialog mit Deutschen bereithält.
    Dann ging hinter der Zwischenwand der Fernseher an. Lauter als sonst. Und lauter als der Fernseher unten. Während dort eine Dauerwerbesendung für das keramische Messerset »Silvia superscharf« lief, war hier Kinderprogramm. Eine Geschichte von einem »Törööö!« rufenden Elefanten, der sich während einer Erkältungswelle als Arzt ausgab.
    MARIO
    Hammer, er konnte doch nicht einschlafen: Irgendwo brachte jetzt einer superlaut eine Kinder-CD ins Spiel. Lärm genug war das alles auf jeden Fall, da konnte sich morgen kein Zeuge mehr rausreden, Mario hatte sogar schon ein, zwei Typen »Ruhe!« schreien gehört. Aber diese Kinderkacke nervte. Dachten die wirklich, ihre Bälger würden davon einschlafen? Mario drehte seinen Fernseher bis zum Anschlag auf, schlug mit den Stuhlbeinen gegen die Wand und brüllte seinerseits »Ruhe!«. Der ganze Scheißkrach musste mittlerweile locker fünfzehn Prozent wert sein. Er wählte die Nummer der Rezeption, um sich zu beschweren. Niemand hob ab. Oder es hob einer ab, aber Mario hörte vor lauter Bingbang nicht, was der Typ am anderen Ende sagte.
    PETE
    Trotz des Stadiums

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