Weg der Träume
kommen. Sie hatte den ganzen Tag immer wieder an ihn gedacht. Die drei Nachrichten auf dem Anrufbeantworter bewiesen, dass auch ihre Mutter sich ihre Gedanken gemacht hatte - ein bisschen zu sehr, fand Sarah. Maureen hatte ohne Punkt und Komma geredet und sämtliche wichtigen Themen abgehakt. »Wegen heute Abend - vergiss nicht, eine Jacke mitzunehmen. Du willst dir doch sicher keine Lungenentzündung holen! Bei der kalten Luft ist das durchaus möglich, weißt du«, fing eine ihrer Tiraden an, und weiter ging es mit diversen interessant en Ratschlägen. So sollte Sarah zum Beispiel nicht zu viel Makeup und auffälligen Schmuck tragen (»damit er nicht den falschen Eindruck von dir bekommt«) und darauf achten, dass ihre Stumpfhosen keine Laufmasche hatte (»nichts sieht schlimmer aus…«). Die zweite Nachricht bezog sich auf die erste, klang aber deutlich aufgeregter, als wisse ihre Mutter, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, die angesammelte Weisheit ihres Lebens weiterzugeben. »Als ich Jacke sagte, meinte ich etwas Schickes. Etwas Leichtes. Gegen die Kälte natürlich, aber du sollst ja auch hübsch aussehen. Und um Himmels willen nur nicht diese lange grüne, die du so magst. Sie ist vielleicht warm, aber hässlich wie die Sünde…«
Als Sarah auch bei der dritten Nachricht die Stimme ihrer Mutter hörte - diesmal regelrecht panisch und ihr einschärfend , wie wichtig es sei, die Zeitung zu lesen, (»damit ihr Gesprächsstoff habt«) -, drückte sie einfach auf Löschen.
Sie musste sich schließlich für ein Date zurechtmachen.
Eine Stunde später kam Miles mit einer langen Schachtel unter dem Arm auf das Haus zu. Er blieb kurz stehen, als müsse er sich vergewissern, dass die Adresse stimmte, dann betrat er den Flur. Sarah hörte ihn die Treppe hochsteigen und strich das schwarze Cocktailkleid glatt, für das sie sich nach längerem Hin und Her entschieden hatte. Sie öffnete die Tür.
»Hallo… bin ich zu spät?«
Sarah lächelte. »Nein, genau richtig. Ich habe Sie kommen sehen.«
Miles holte tief Luft. »Sie sehen hübsch aus«, sagte er.
»Danke.«
Sarah deutete auf die Schachtel. »Ist das für mich?«
Er nickte und reichte ihr die Schachtel. Sie enthielt sechs gelbe Rosen.
»Eine für jede Woche, die Sie schon mit Jonah arbeiten.«
»Das ist lieb«, sagte sie erfreut. »Meine Mutter wird beeindruckt sein.«
»Ihre Mutter?«
Sie lächelte. »Das erzähle ich Ihnen später. Kommen Sie rein, ich stelle die Blumen nur kurz in eine Vase.«
Miles trat ein und sah sich um. Es war eine schöne Wohnung - kleiner, als er angenommen hatte, aber erstaunlich gemütlich, und die meisten Möbel passten gut zu den Räumen. Eine bequem aussehende Couch mit Holzrahmen, kleine, elegante Lampentischchen, eine alte Holzbank unter einer Lampe, die hundert Jahre alt zu sein schien - und selbst der Quilt über der Stuhllehne schien aus dem letzten Jahrhundert zu stammen.
Sarah öffnete in der Küche das Schränkchen über der Spüle, schob einige Schüsseln zur Seite und holte eine Kristallvase hervor, die sie mit Wasser füllte.
»Die Wohnung ist schön«, sagte Miles.
Sarah sah hoch. »Danke. Mir gefällt sie auch.«
»Haben Sie sie selbst eingerichtet?«
»Zum größten Teil. Ein paar Sachen habe ich aus Baltimore mitgebracht, aber nachdem ich all die Antiquitätenläden hier entdeckt hatte, habe ich das meiste ersetzt. Es sind phantastische Läden.«
Miles fuhr mit der Handfläche über das alte Rollpult neben dem Fenster, dann schob er die Vorhänge beiseite und blickte hinaus. »Wohnen Sie gern mitten in der Stadt?«
Sarah zog eine Schere aus der Schublade und schnitt die Rosen an. »Ja, aber ich sage Ihnen, das Nachtleben hier hält mich ständig in Atem! Diese Horden von Menschen, die kreischend und prügelnd bis zum Morgengrauen durch die Straßen ziehen! Ein Wunder, dass ich überhaupt ein Auge zutun kann!«
Miles lachte.
Sarah arrangierte die Blumen sorgfältig in der Vase. »Ich lebe zum ersten Mal in einem Ort, wo die Leute um neun im Bett sind. Sobald die Sonne untergeht, kommt man sich vor wie in einer Geisterstadt. Aber das erleichtert Ihnen sicher den Job, oder?«
»Ehrlich gesagt, betrifft es mich kaum. Abgesehen von Räumungsbefehlen endet meine Zuständigkeit an der Stadtgrenze. In der Regel arbeite ich auf dem Land.«
»Sie stellen also die Geschwindigkeitsfallen auf, für die der Süden so berühmt ist?«, neckte sie.
Miles schüttelte den Kopf. »Nein, das auch nicht. Dafür
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