Weg in die Verdamnis
geben. In der Vergangenheit hatte ich meine Erfahrungen mit Ratten gemacht und so manchen Tanz mit ihnen erlebt.«
Hier würden sie mich sicherlich nicht mehr stören, es ging jetzt darum, daß wir es schafften, Santerre zu stellen. Wir, das waren Suko und ich, denn er würde noch heute in Schwechat landen. Ich war gewissermaßen als Vorhut geflogen. Die Erzählungen des Father Ignatius hatten mich veranlaßt, Suko nachzuholen.
Paul Jurec schaute in die Höhe, dann blickte er auf die Scherben und fragte: »Wie geht es denn jetzt weiter? Haben Sie irgendeinen Vorschlag, Herr Sinclair?«
»Für Sie läuft alles normal. Sie tun Ihren Job und räumen in diesem Haus kräftig auf.«
»Das wird dauern.«
»Ich fahre in mein Hotel.«
»Haben Sie denn ein Auto?«
»Nein, ich werde mir ein Taxi…«
Er unterbrach mich. »Das brauchen Sie nicht. Ich nehme Sie mit.«
Ich deutete an meinem Körper herab nach unten. »So stinkend wie ich bin? Wollen Sie sich das antun?«
»In meiner Karre stinkt es auch. Nach Gift und Desinfektionsmitteln.«
»Wenn Sie meinen, Herr Jurec, dann bin ich so frei.«
Er rückte mit einer heftigen Bewegung seinen Helm zurecht und nickte wie jemand, der sich nicht mehr von seinem Vorhaben abbringen ließ.
»Kommen Sie mit, wir fahren.«
Draußen drehte ich mich noch einmal um und schaute an der vorderen Hausfront hoch.
Niemandem war die Zerstörung der Glaskuppel aufgefallen, und das fand ich gut. Neugierige Fragen, womöglich noch von meinen Wiener Kollegen, konnte ich jetzt nicht brauchen. Viel wichtiger war die Jagd auf Santerre und seine elf Schwarzen Apostel…
***
Eine Dusche zu nehmen, empfinde ich persönlich immer als eine Wohltat. In diesem speziellen Fall aber verdoppelte sich das Feeling noch, und ich hatte den Eindruck, als würde jeder Tropfen ein Stück Erinnerung von dem abspülen, was ich erlebt hatte. Die perfekte Umgebung dieses Hotels machte es mir zudem leicht, die Dinge zu vergessen, und ich würde auch noch Zeit haben, um mich ein wenig auszuruhen. Nein, ich wollte mich nicht ins Bett legen, denn in dem Hotel gab es eine gemütliche Bar.
Die schmutzige Kleidung hatte ich in die Schnellreinigung gegeben, auch darum kümmerte man sich in diesem Hotel. Am Abend würde sie frisch und gebügelt wieder in meinem Zimmer liegen.
Ich streifte die Ersatzklamotten über und schaute dabei aus dem Fenster. Mein Blick fiel auf die berühmte Wiener Staatsoper. Wenn ich nach rechts schaute, konnte ich fast die Kärntner Straße erkennen, an deren Beginn das Hotel Sacher die Passanten mit seiner altehrwürdigen Fassade begrüßte.
Wien ist geschäftig wie London. Es gab eigentlich nie direkt ruhige Zeiten. Auf der Kreuzung vor der Oper herrschte Trubel. Straßenbahnen, Autos, Menschen und Ampeln diktierten diesen Verkehr, von dessen Lärm ich nichts mitbekam, weil die schallsicheren Scheiben ihn abhielten.
Auf eine Krawatte verzichtete ich; das dunkelblaue Cordhemd und die Jeans mußten reichen. Eine Ersatzjacke hatte ich mitgenommen und streifte sie über.
Es war hoher Mittag, als ich nach unten ging. Ja, ich ging, ich fuhr nicht mit dem Lift, denn das Treppenhaus des Hotels war einmalig. Hier konnte man die Vergangenheit der Donau-Monarchie an den Wänden ablesen, denn die prunkvollen Gemälde zeigten Szenen aus zahlreichen Epochen, zu denen sich noch die wertvollen Möbel gesellten, die an exponierten Stellen ihren Platz gefunden hatten und auch mein Herz höher schlagen ließen.
Eine Nachricht war für mich noch nicht hinterlassen worden, doch darüber machte ich mir keine Sorgen. Father Ignatius oder Suko würden sich schon melden. So war es auch verabredet worden. Eine Frage allerdings brannte mir auf der Zunge. Ich wußte noch immer nicht, weshalb mich Father Ignatius auf dieses Haus aufmerksam gemacht hatte. Die Antwort sollte er mir auf jeden Fall geben.
In der Halle unten bekam ich große Augen. Da war die Bar plötzlich vergessen. In einem der Räume war ein kleines Büffet aufgebaut worden, und die diversen Kleinigkeiten unter der Glashaube strahlten mich an. Zwei junge Mädchen warteten darauf, die Gäste zu bedienen.
Ich hatte beschlossen, mir nach diesem verdammten Rattenabenteuer etwas zu gönnen und ließ meine Blicke suchend über die Köstlichkeiten gleiten.
Die Salate sahen toll aus. Sie waren so herrlich frisch, aber ich entschied mich für ein Stück Fleisch. Filet Wellington mit Cumberland-Soße. Als Getränk bestellte ich mir einen Rotwein aus
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