Weg in die Verdamnis
allein auf sein Gesicht konzentrieren sollten.
Er stand im Ausschnitt der Tür und hatte sich ducken müssen. Mit dem nächsten Schritt richtete sich Santerre zu seiner vollen Größe auf, ließ seinen Blick über die Versammelten hinwegstreifen, ohne allerdings ein Wort zu sagen. Mit einer langen Hand tippte er an die Tür, die wieder zufiel.
Jeder hatte den Eindruck, vom Blick der Augen ganz besonders stark getroffen zu werden. Für alle waren es Augen, die nichts Menschliches mehr an sich hatten. Augen, die lebten und trotzdem wie tot wirkten.
Ähnlich wie Glas, verschieden schimmernd, mal grünlich, mal gelb, aber in der Hauptsache grau. Die Augen unterschieden sich in ihrer Mischfarbe auch nicht vom Gesicht des Mannes. Die Haut wies schon auf das Alter hin, denn sie zeigte ein Muster aus Furchen und Falten.
Beides hatte sich tief hineingegraben. Die Männer hatten nie erlebt, daß sich das Gesicht des Mannes beim Sprechen großartig bewegte, es blieb rindenhaft starr, und sein Mund unter der dicken Nase erinnerte an eine breite und auch wuchtige Kerbe.
Er ging langsam näher, und die Kerzen schienen einen Teil ihrer Leuchtkraft zu verlieren, denn seit seinem Eintritt war es dunkler im Raum geworden.
Da hatten sich die Schatten verdichtet.
Da lagen sie wie starre Gebilde in den Ecken, wobei sie sich an anderer Stelle bewegten, als wäre eine Hand hindurchgehuscht.
Unter dem Saum der Kapuze schaute das Haar des Ankömmlings hervor. Es waren im Prinzip graue Strähnen, aber auch zwischen ihnen wiederum schimmerte es gelblich und grün, als wären die Haare von irgendwelchen Fäden durchzogen.
Auch Daniel hatte seinen Platz am Fenster verlassen und war in die Mitte gegangen. Er wollte in der Nähe des anderen sein, der seinen Blick auf ihn richtete, bevor er sprach.
»Ich sehe, daß ihr auf mich gewartet habt«, sagte er und verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. »Ja, du hast es uns gesagt.«
»Ich bin gekommen.«
»Wir waren nur ein wenig besorgt.« Daniel sprach für die anderen gleich mit.
»Auf mich kann man sich verlassen!« Mit dieser Bemerkung hatte Santerre alles andere weggewischt, und auch seine Stimme hatte sich um keinen Deut verändert. Sie war so kalt, flüsternd und zugleich drohend geblieben. So wie er konnte einfach kein Mensch sprechen.
Das war die Stimme einer Person, die aus der Tiefe eines Grabs drang, nicht dumpf, aber sehr, sehr kalt.
Daniel befürchtete, etwas Schlimmes gesagt zu haben. Sehr schnell korrigierte er sich. »Du kannst dich auch auf uns verlassen. Wir werden tun, was du willst.«
»Das müßt ihr auch«, flüsterte Santerre den anderen zu. »Es gibt kein Zurück mehr. Diese Nacht ist entscheidend. Der Weg in die Verdammnis ist vorgezeichnet, und ihr werdet aus ihm als die großen Sieger hervorgehen. Aber nur dann, wenn ihr es schafft.«
»Wir werden ihn gehen!« flüsterten mehrere Personen zugleich.
»Das will ich auch hoffen.«
»Und wohin werden wir gehen müssen?« fragte jemand.
»Der Weg in die Verdammnis wird nie vorgezeichnet. Er ist überall, er ist hier. Er befindet sich in dieser Welt, versteht ihr?«
»Nein…«
»Man findet ihn überall, man muß nur die Augen offenhalten, das ist alles.«
Die elf Schwarzen Apostel nahmen es hin, obwohl sie sicherlich noch zahlreiche Fragen hatten, aber sie kamen sich vor wie die Lehrlinge, die bei ihrem Chef standen und zu ihm hochblickten, als wäre er für sie der große Gott. Er drehte sich um.
Durch den Luftzug begannen die Flammen zu tanzen, und Schatten huschten wie kleine Geister durch den Raum. Auch Daniel hatte den Mann genau beobachtet. Ihm lagen einige Worte auf der Zunge, er mußte Santerre noch etwas sagen, nur wußte er nicht, wie er damit beginnen sollte. Zudem hatte er Furcht davor, sich lächerlich zu machen.
»Was willst du?«
Daniel schrak zusammen, als Santerre ihn ansprach. Für einen Moment durcheilte ihn ein Strom der Furcht, denn der andere hatte es tatsächlich geschafft, seine Gedanken zu erraten. Daniel trat einen Schritt zurück.
Er stöhnte leise und nickte. »Ja, ich muß mit dir sprechen. Ich habe es mir schon lange vorgenommen, und die anderen wissen auch Bescheid. Und es ist auch keine Lüge, was ich dir berichten werde. Es ist alles so passiert, wie…«
»Rede schon!«
Daniel nickte heftig. »Da ist jemand gewesen, heute mittag…«
»Wer?«
»Ein Pfaffe!«
Santerre verzog das Gesicht wie jemand, der Zitrone getrunken hat. »Ein Pfaffe…?«
»So ist
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