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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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Disziplin beherrschte sie meisterhaft und in diversen Varianten – von der dramatischen Geste bis hin zum resignativen Erstarren –, um gleich darauf unvermittelt zum nächsten Thema überzugehen, in diesem Fall die geplante Klassenfahrt an einen Badeort auf Zypern, um dort ihren Abschluss zu feiern.
    »Aber du behauptest doch, dass du nichts zu feiern haben wirst, Amy.«
    »Umso mehr Grund, mitzufahren, um mich aufzuheitern«, erwiderte sie. Doch Peter fiel nichts ein, was seine Tochter jemals aufgeheitert hätte.
    Es war acht Uhr morgens, und seine Tochter konfrontierte ihn mit einer Broschüre über einen Urlaub, der eine astronomische Summe kostete. Peter blieb hart. Auf keinen Fall würde er Amy zwei Wochen in einem Hotel finanzieren, wo sie an Wet-T-Shirt-Wettbewerben teilnehmen und jede Nacht durchfeiern würde.
    »
Wozu
machst du dann das alles, Dad?«, fragte ihn seine Tochter und warf ihm dabei aus schwarz umrandeten Augen einen Blick zu, als sähe sie ihn in dem Moment zum ersten Mal.
    »Was alles?«, fragte er.
    »Na ja, in deinem weißen Kittel hinter dem Verkaufstresen stehen, Rezepte einlösen, gewichtig den Kopf wiegen und dich stundenlang mit Pharmareferenten herumschlagen.«
    »Tja, weil das meine Arbeit ist.« Peter war etwas irritiert.
    »Ja, aber wozu, Dad, wenn nicht für mich?«
    »Es
ist
doch für dich – aber nicht, damit du nach Zypern fährst.«
    »Okay, ist das dein letztes Wort?«
    »Ja, das ist es, Amy. Und jetzt gehe ich in die Apotheke.«
    »Um noch mehr Geld zu verdienen, das du mir dann geben wirst, wenn ich zu alt bin, um es noch genießen zu können.«
    »Man ist nie zu alt, um sein Geld genießen zu können«, erwiderte Peter.
    »Oh, doch, Dad«, entgegnete Amy. Mehr sagte sie nicht, aber es war klar, dass sie in ihrem Vater die Verkörperung ihres Arguments sah.
    Danach sprach sie kaum mehr mit ihm. Sie war höflich, aber distanziert. Sie bedankte sich bei ihm, als er für sie zu Abend gekocht hatte, lehnte aber ab, da sie mit einer Schulfreundin verabredet war. Am nächsten Morgen las sie beim Frühstück die Zeitung, spülte eigenhändig ihre Müslischüssel ab und ging zur selben Zeit wie Peter aus dem Haus.
    »Das ist doch albern, Amy. Wohin gehst du?« Peter machte sich ernsthafte Sorgen. Bisher hatte das Schweigen zwischen ihnen noch nie vierundzwanzig Stunden lang gedauert.
    »Ich suche mir einen Job!«, rief Amy über die Schulter zurück.
    Peter sah ihr nach, wie sie durch die Fußgängerzone davonging, die Tasche über der Schulter. Es kam ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er sie bei der Beerdigung ihrer Mutter an der Hand gehalten und ihr versprochen hatte, dass er immer auf sie aufpassen würde. Er hatte dieses Versprechen nicht gehalten. Er hatte es versucht, aber seine eigene Tochter schaute ihn an, als sei er ein Fremder für sie.
     
    Als Peter in ihrem Alter war, war alles viel einfacher gewesen. Sein Vater war davon ausgegangen, dass seine beiden Söhne Pharmazie studieren würden, und das hatten sie auch getan. Damals wie heute war die Konkurrenz um einen Studienplatz groß. Da konnten die Apotheker einander noch so oft versichern, dass sie eigentlich nur bessere Verkäufer wären, aber stolz waren sie trotzdem auf ihren Beruf. Sie waren schließlich Respektspersonen wie der Arzt oder der Pfarrer.
    Natürlich war das zu Zeiten seines Vaters noch anders gewesen. Als einziger Apotheker in einer Kleinstadt hatte Mr.Barry senior viel mehr Einfluss besessen als Peter heute. Man sagte es zwar nicht laut, aber jeder wusste, dass Mr.Barry es mit jedem Arzt aufnehmen konnte. Er musste nicht auf das Rezept eines Arztes warten, um einem Kind, das schlimmen Husten hatte, das richtige Antibiotikum zu geben; er konnte Glassplitter aus der Hand ziehen und mit Sicherheit sagen, ob der Knöchel nur verstaucht oder tatsächlich gebrochen war. Zudem produzierte er seine eigenen Heilmittel, und die Leute kamen von überall her, weil sie großes Vertrauen zu ihm hatten. Und sein Hustensaft wirkte wahre Wunder.
    Peters Vater war sich im Klaren darüber, dass die Apotheke nicht genügend Geld für beide Söhne abwerfen würde, und zögerte lange, welchen der beiden er ins Geschäft holen sollte. Aber wie das Leben so spielt, zog es Peter nach Dublin, sein Bruder Michael lebte in Cork.
    Das Problem war zwar fürs Erste gelöst, aber nicht aus den Köpfen.
    Denn Michael bedauerte es in Cork oft, dass er das elterliche Geschäft nicht übernommen hatte. Und Peter

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