Wege des Herzens
Clara.
»Um dir diesen Mann endlich vom Hals zu schaffen, hoffe ich«, erwiderte ihre Mutter schnippisch.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.« Noch klang Clara nachsichtig.
»Wir
haben
bereits einiges mit angesehen«, blaffte ihre Mutter sie an, »und was wir gesehen haben, hat uns gar nicht gefallen.«
»Gewiss doch, Mutter.« Müde legte Clara auf.
Hilary sah Clara erwartungsvoll an. Diese Frau arbeitete wirklich hart, und sie konnte nur hoffen, dass sie wenigstens einen netten Abend haben würde. Die Antwort, die sie auf ihre Frage bekam, überraschte sie jedoch.
»Mein lästiger Ex-Ehemann kommt zu mir, um mich – nicht zum ersten Mal – um die Scheidung zu bitten«, erklärte Clara unverblümt.
»Sagen Sie ja, dann sind Sie ihn los«, erwiderte Hilary, als wäre dies das Selbstverständlichste von der Welt.
»Warum sollte ich es ihm einfach machen?«, fragte Clara.
»Weil für Sie die Sache nur schlimmer wird, wenn Sie weiterhin an ihm hängen. Aber ich muss jetzt los. Gott weiß, was meine arme Mutter inzwischen wieder alles angestellt hat.« Und schon war sie weg.
Als Clara im Auto saß, rief ihre Freundin Dervla an. »Er kommt heute Abend schon wieder vorbei«, erzählte Clara.
Dervla hatte Alan nie gemocht, aber normalerweise hielt sie sich mit Kommentaren zurück. Doch dieses Mal konnte sie sich eine Bemerkung nicht verkneifen, als sie die Neuigkeit erfuhr.
»Seit fünfundzwanzig Jahren höre ich mir jetzt an, dass er gerade kommt oder wieder nicht gekommen ist. Clara, willige endlich in die verdammte Scheidung ein. Zieh einen Schlussstrich unter eure Ehe, in Gottes Namen.«
»Danke, Dervla«, sagte Clara lachend.
»Hast du vielleicht insgeheim gehofft, er hat seine neue Flamme schon satt und will zu dir zurückkommen?«
»Nein, dafür bin ich zu alt und schmallippig.«
»Würdest du ihn denn wiederhaben wollen, falls er
tatsächlich
h zu dir zurückkommen wollte?«
»Das ist mehr als unwahrscheinlich«, erwiderte Clara. Auf dieses Spielchen würde sie sich nicht mehr einlassen.
Erleichtert stellte Clara fest, dass das Haus leer war. Das würde die Sache um einiges einfacher machen. Clara duschte und wusch sich die Haare. Sie hatte sie gerade trocken geföhnt und ein frisches pinkfarbenes T-Shirt angezogen, als sie Alan an der Tür klingeln hörte. Sie bot ihm Kaffee an und goss ihm eine Tasse ein. Schwarz, wie er ihn immer trank.
»Nur auf ein paar Worte, Clara, wie in alten Zeiten«, bat er sie.
»Nicht wie in alten Zeiten. In den alten Zeiten haben wir uns meistens nur angeschrien, falls du dich daran erinnern kannst.«
»Nun, dann wie in den
ganz
alten Zeiten.« Freundlich grinste er sie an. Diese Bitte konnte sie ihm doch wahrhaftig nicht abschlagen. Alan hielt den Kopf schief, als wollte er Clara überreden, die Dinge wieder aus seiner Sicht zu sehen, so wie sie es die ganzen Jahre über getan hatte.
»Worüber haben wir in den
ganz
alten Zeiten denn gesprochen?«
»Über die Arbeit, die Kinder, über uns.« Die Antwort kam ihm leicht über die Lippen.
»Nun denn, das Thema ›Arbeit‹ dürfte wohl am sichersten sein. Also, wie läuft’s bei dir?«
»Ganz gut. Natürlich ist es anstrengend. Die Arbeit in einer Bank hat sich sehr verändert. Heutzutage ist der Druck ungleich größer. Und bei dir?« Es klang so, als wollte er es tatsächlich wissen.
Clara erzählte ihm von der jungen Polin Ania und von ihrer neuen Assistentin Hilary Hickey. Sie erwähnte auch die beiden munteren Krankenschwestern, den Physiotherapeuten, die Diätassistentin Lavender und Tim, den Wachmann. Sie schilderte Alan sogar den allseits gefürchteten Verwalter Frank und Peter Barry, den Apotheker. Und er schien sich tatsächlich dafür zu interessieren.
Einmal angenommen, er hätte diese schreckliche Cinta nicht kennengelernt. Hätten sie ein normales Leben miteinander führen können? Clara versuchte, diesen Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Das war ausgeschlossen. Es hatte vor Cinta andere Frauen gegeben, und nach ihr würde es wieder andere geben.
Alan erkundigte sich eingehend nach den Menschen, die sie eben beschrieben hatte, er stellte Fragen, die ihr bewiesen, dass er ihr genau zugehört hatte. Clara erinnerte sich wieder, wie angenehm es früher gewesen war, mit ihm über ihre Arbeit zu reden. Alan war ein guter Zuhörer. Er hatte ihr gefehlt, als sie allein die Demütigung hatte wegstecken müssen, dass man sie bei der Vergabe des Postens als Kardiologin
Weitere Kostenlose Bücher