Wehrlos vor Verlangen
Kopf. „Nein, ich bin mit dem Rucksack durch Spanien und Frankreich gezogen, aber ansonsten verbringe ich meine Urlaube immer bei meinen Eltern in Cornwall.“
„Ihr steht euch sehr nah, nicht wahr?“
„Ich bete meine Eltern an“, bestätigte sie. „Ich bin ein Einzelkind, und vermutlich bestand durchaus die Gefahr, dass sie mich komplett verwöhnen. Aber sie haben mich vor allem gelehrt, dass Liebe und Freundschaft viel mehr wert sind als Geld. Sie hätten gern mehr Kinder gehabt, aber Mum erlitt zwei Fehlgeburten. So waren sie dankbar, wenigstens mich zu haben.“ Ihre Stimme wurde sanft. „Die beiden sind großartige Menschen. Ich würde alles für sie tun …“
Abrupt brach sie ab. Sie erwartete einen spöttischen Kommentar von ihm, dass sie ja tatsächlich alles getan hatte – sie hatte sich verkauft. Doch er sagte nichts, und darum änderte sie schnell das Thema. „Hast du noch Hotels auf anderen griechischen Inseln?“
„Das Alkimini auf Angistri war mein erstes Hotel, dann folgte das Athena auf Poros und schließlich mein neuestes Projekt, das Aphrodite, das gerade auf Rhodos gebaut wird. Mein Ziel ist es, auf den beliebtesten Inseln Griechenlands ein Hotel zu errichten.“
Es war ihm ernst, sie hörte es an der Entschiedenheit in seiner Stimme. „Wie hast du dein Unternehmen aufgebaut? Ich meine, wie bist du darauf gekommen, dass du Hotels bauen willst?“
Er überlegte einen Moment. „Es war wohl die Verzweiflung, die alles ins Rollen brachte. Bevor meine Mutter starb, nahm sie mir das Versprechen ab, dass ich mich immer um Melina kümmern werde. Aber ich hatte ja nichts, weder eine Ausbildung noch Geld. Nur ein Stück Land auf Angistri, das meine Mutter von ihrer Familie geerbt hatte. Allerdings erfuhr ich erst nach ihrem Tod, dass ich nun sechs Morgen Land besaß. Begeistert hat mich das nicht unbedingt. Für die Landwirtschaft war das Gebiet viel zu felsig, man hätte höchstens Ziegen darauf grasen lassen können. Aber der Ausblick aufs Meer war unglaublich schön. Tagsüber arbeitete ich auf den Baustellen der Hotels, die hier überall auf den Inseln errichtet wurden. Und als ich eines Abends auf Angistri in den Sonnenuntergang sah, kam mir die Idee, dass ich doch selbst eins bauen könnte. Allein die Aussicht würde es zu einer Attraktion machen. Einfach war es nicht“, gestand er nachdenklich. „Ich überredete den örtlichen Bankdirektor, mir einen Kredit zu gewähren, und überzeugte den Inselrat, dass die Ökonomie von Angistri nur profitieren könne, wenn Touristen kämen. Tagsüber arbeitete ich weiter auf den Baustellen anderer, abends bezahlte ich Bauhelfer, die mit mir an meinem eigenen Hotel arbeiteten. Das Alkimini ist nach meiner Mutter benannt. Die Nähe zum Festland und zu Athen bringt viele griechische Urlauber. Das Hotel wurde sehr schnell zum Erfolg, und ich konnte den Kredit zurückzahlen und mit dem Bau eines zweiten Hotels auf Poros beginnen.“
Thanos beschrieb den Weg zum Erfolg sehr schlicht, doch Tahlia war sicher, dass es nicht so einfach abgelaufen war. „Wie konntest du dich noch um Melina kümmern, wenn du die ganze Zeit gearbeitet hast?“, fragte sie neugierig.
„Tagsüber war sie in der Schule, und nach der Schule kam sie zur Baustelle, um im Büro ihre Hausaufgaben zu machen. Als sie älter wurde, hat sie oft für die Arbeiter gekocht. Es war sicherlich alles andere als eine unbeschwerte Kindheit, und ich fühle mich schuldig, dass sie auf so vieles hat verzichten müssen. Aber sie hat sich nie beschwert.“ Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. „Obwohl sie eine Phase hatte, in der sie mich wirklich genervt hat. Damals fand sie, ich solle endlich heiraten. Ich nehme an, weil sie nicht mehr so oft kochen wollte.“
„Hast du je an eine Heirat gedacht?“, fragte Tahlia leise.
Darauf schwieg er so lange, dass sie schon dachte, er würde nicht antworten. Doch dann zuckte er nur lakonisch mit den Achseln. „Ich war einmal verlobt, allerdings nur sehr kurz. Yalena kam aus meinem Dorf, wir wuchsen praktisch zusammen auf. Ich muss fünfzehn gewesen sein, als ich mich in sie verliebte. Yalena war der einzige Mensch, dem ich mich anvertrauen konnte. Ich habe sie angebetet und glaubte, sie wäre auch in mich verliebt.“ Seine Miene verhärtete sich. „Ich war überglücklich, als sie einwilligte, meine Frau zu werden. Sie verstand sich auch gut mit Melina, und ich dachte, wir könnten als Familie zusammenleben. Einen Monat, bevor wir
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