Weiberabend: Roman (German Edition)
verstoßen. Die Liebe der Eltern ist erst in jüngster Zeit zu einer Währung geworden, die sich in psychische Gesundheit der Kinder ummünzen lässt. Heutzutage kann ein Serienmörder sich bei seiner Verteidigung darauf berufen, die Mutter habe eines seiner Geschwister bevorzugt, damit das Strafmaß gemildert wird. Bevorzugung ist heutzutage theoretisch schon nah am psychischen Missbrauch.
All das klingt unterschwellig in Helens Klaps auf meinen Arm mit. Sie ist sauer auf mich, das merke ich.
»Es tut mir leid«, sage ich leise zu Helen.
»Das sollte es auch«, erwidert sie.
»Nächste Woche wird Cameron einen Wutausbruch kriegen und dann wird eines der anderen dein Lieblingskind sein«, sage ich.
»Ge-NUG«, entgegnet sie, tunkt eines ihrer drei kostbaren Artischockenherzen in die Sauce und bietet es mir an, obwohl sie ihren Ärger immer noch kaum verbergen kann.
Ich öffne den Mund und nehme ihr Versöhnungsangebot dankbar an. Es ist mir egal, wer davon erfährt – in diesem Moment ist sie mir der liebste Mensch auf der Welt.
7 Sollen sie doch Pfannkuchen essen
I n der Welt des Essens gibt es einige himmlische Kombinationen. Kulinarische Seelengefährten. Lamm und Minze. Feigen und Käse. Dann gibt es die besonders zickigen Genossen, die wie Schwäne auf den perfekten Partner bestehen. Safran ist beispielsweise schwer zufriedenzustellen, was Verpaarungen in der Küche angeht. Fenchel ist auch so ein schwieriger Fall. Unkooperativ, launenhaft, streitet sich mit den friedlichsten, alltäglichsten Zutaten – wie etwa Gurken oder Kartoffeln, die sanftmütig und umgänglich sind und es gern allen recht machen wollen. Einige Verbindungen sind ganz gelassen, wie ausgeglichene Kinder, die es nicht schlimm finden, wenn der Spielkamerad, mit dem sie verabredet waren, doch nicht kommen kann. Eine Zitrone ist ebenso gern bereit, ein Hühnchen zu beträufeln wie eine Lammkeule. Oder sogar einen ganzen Rotbarsch. Manche, wie der Knoblauch, sind geradezu promiskuitiv, verteilen ihre Zuneigung zügellos, was aber allseits als angenehm empfunden wird. Verlässlich. Dann gibt es introvertierte Zutaten, die sich wie der G-Punkt schüchtern dem alltäglichen Gebrauch entziehen. Sie erfordern Initiative, Mut und Entdeckerfreude – Muskat ist so ein Kandidat. Ein herrliches Gewürz. Und ich weiß damit umzugehen.
Einer seiner besten Verbündeten ist Butternusskürbis. Ricotta, ansonsten ein eher langweiliger Gesellschafter, lebt in dieser Kombination auf, vor allem mit Orangenschale und einem Hauch trockenem Sherry. Für heute Abend habe ich Butternuss-Ricotta-Pfannkuchen gemacht. Und meine Freundinnen (bis auf Tam – ja, ich habe Mehl für die Pfannkuchen genommen, tut mir leid) sind der Ohnmacht nahe.
»Zimt?«, fragt Helen.
Ich nicke. »Aber das ist noch nicht alles.«
»Ingwer?«, versucht es CJ.
Ich schüttele den Kopf.
»Vanille-Aroma?«, schlägt Dooly vor.
Himmel, Dooly, da haben wir den Grund für deinen tiefen kulinarischen Fall. Ich unterdrücke meinen Hohn. In diesem Rezept ist Schäbigkeit nicht vorgesehen.
»Muskat«, sage ich.
Denjenigen unter meinen Freundinnen, für die Kochen nichts weiter ist als eine lästige, notwendige Haushaltsarbeit, bedeutet diese Enthüllung gar nichts. Helen und Ereka jedoch nicken beeindruckt, da sie mit ihren fein geschulten Kenntnissen wissen, dass Muskat kein umgängliches Gewürz ist. Zu viel davon – ganz gleich wie minimal der Überfluss ausfallen mag – macht jede Speise so bitter, dass sie nicht mehr zu retten ist. Zu wenig, und man hätte sich den Aufwand gleich sparen können – niemand wird bemerken, dass man sich um Muskat bemüht hat. Die meisten Leute haben zu viel Respekt davor, um es überhaupt zu gebrauchen. Man muss da sehr erwachsen herangehen. Man muss bereit sein, die Verantwortung zu übernehmen und das Sagen zu haben, aber wie die Kindererziehung ist auch der Umgang mit Muskat eine subtile, eher fließende Kunst. Das Muskat hat diese Pfannkuchen auf eine höhere Ebene gehoben. Das sehe ich, denn selbst Liz nickt anerkennend. Köstliches Essen übt eben diese Macht aus – es lässt uns in einen Zustand ekstatischer körperlicher Hingabe sinken, der vermutlich auch länger anhält als jeder noch so übertrieben geschilderte Orgasmus, den je eine von uns angeblich erlebt haben will. Da ich das weiß, habe ich einmal einen Mann mit Litschis verführt. Obst auf die richtige Weise zu essen, kann ebenso befriedigend sein wie ein inniger Kuss. Er sah
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