Weiberabend: Roman (German Edition)
hereinkomme.
Um diese Zeit kuschle ich mich normalerweise in den sicheren Hafen meines Bettes, mit einem Glas Wasser neben mir, einem Buch in der Hand und damit beschäftigt, den vergangenen Tag zu löschen und die Tafel meines Gehirns leer zu wischen für das Chaos, das Geplapper und die Streitereien von Morgen. »Schönheitsschlaf« ist ein exklusiver Luxus, den sich nur Kinderlose leisten können. Ich habe den Versuch schon vor Jahren aufgegeben.
Helen kommt von der Toilette zurück, ohne eine Spur Erdbeer-Daiquiri im Gesicht; sie duftet nach Lavendelseife.
Ich müsste schon längst im Bett liegen – meiner wundervollen Oase, nach der ich mich den ganzen Tag lang sehne und die mich in ihre beruhigenden Arme schließt, wenn alle Ansprüche der vergangenen vierundzwanzig Stunden vorerst erfüllt sind und ich endlich egoistischerweise etwas nur für mich allein tun kann: einschlafen. Wenn ich mich bis zehn Uhr abends nicht mit geputzten Zähnen und Schlafanzug ins Bett kuschle, steigert sich meine Reizbarkeit mit jeder Minute um ein Vielfaches. Wenn ich müde bin, bin ich wie ein hungriges Kleinkind – das kann sehr schnell hässlich werden. Ich bin ganz sicher keine Nachteule, wie Helen und CJ, die morgens furchtbar schlecht drauf sind, aber die ganze Nacht durchmachen können, solange sie jemandem zum Quatschen und ein Glas Wein haben. Aber wir sind schließlich zu einer Übernachtungsparty hier, und obwohl ich weiß, dass ich morgen eine gereizte Zicke sein werde, weil ich heute später ins Bett komme, als mir eigentlich guttut, und dann vermutlich nur schwer einschlafen werde in einem fremden Haus so weit weg von meinen Kindern, werden wir diesen Abend auf keinen Fall früh beenden.
Die Rolle der Spielverderberin hat Tam bereits übernommen, also werde ich tapfer mindestens bis Mitternacht durchhalten. Außerdem habe ich uns zwei DVDs ausgeliehen – Amys Orgasmus und … und dann kam Polly – die Art von Filmen, bei denen sich Frank mit irgendeiner klugscheißerischen Bemerkung verabschiedet, wie etwa »Entschuldigt, aber ich habe einen Termin für eine Wurzelbehandlung, den ich nicht verpassen möchte«. Die perfekte geistige Zuckerwatte, die Hollywood für Abende wie diesen hier massenweise produziert. Allerdings beginnt jegliches Interesse, das ich vielleicht für Amys Sexleben oder Pollys Albernheiten hätte aufbringen können, rasch zu verblassen. Ich beneide Tam um ihren Zapfenstreich – bald wird sie gemütlich in ihrem eigenen Bett liegen und tief und fest schlafen. Ich gähne. Gewaltig.
»Denk nicht mal daran«, sagt Ereka und blickt von der Schachtel Nagellackfläschchen zu Tam auf. In Erekas Schoß kullern vier Fläschchen herum, ein sattes Purpurrot, Blassgold, Blau mit Glitzer und Weinrot.
»Ich muss morgen früh aufstehen«, sagt Tam mit diesem falschen Bedauern.
»Ich muss, ich muss …« entgegnet Helen. »Sag doch einfach: ›Scheiß drauf, ich muss gar nichts.‹«
Tam lächelt schwach. Als könnten wir einfach nicht verstehen, wie das ist, ein hochbegabtes Kind zu haben. Sie sieht uns mit gütigem Blick an. »Ich glaube, ich sollte mich jetzt wirklich auf den Weg machen. Was ist mit dir, Ereka?«
Ereka beugt sich über die Armlehne des Sofas und streckt ihren Rücken. Die vier Nagellackfläschchen klimpern in ihrem Schoß. »Auf keinen Fall, ich amüsiere mich gerade prächtig. Ich frage mich, ob ich ein ganzes Porträt in Nagellack malen könnte? Glaubt ihr, es gibt einen Markt für Nagellack-Kunst?«
»Das bezweifle ich«, sagt Liz entschieden.
»Aber wenn es dich dazu bringt, mehr zu malen, dann nur zu«, sagt Fiona.
»Ja, ist es nicht sowieso mal an der Zeit, dass du eine Ausstellung machst oder so?«, regt Dooly an.
Ereka schnaubt. »Bei meinem Tempo könnt ihr posthum eine Ausstellung machen und den Erlös zwischen euch aufteilen – es reicht bestimmt für einmal lila Färben und Föhnen für jede.«
»Solch eine Begabung, vergeudet!«, bemerke ich tragisch.
»Tja, ich werde darum bitten, im nächsten Leben als schwuler Mann zurückkommen zu dürfen, dann ziehe ich auf irgendeine einsame Insel und male, bis mir die Finger bluten«, sagt Ereka seufzend.
»Ich bin sicher, deine Kunst ist durchaus relevant«, sagt Tam zu ihr.
»Mir mangelt es nicht an Relevanz, sondern an Zeit«, sagt Ereka. Und dann: »Willst du wirklich schon gehen?«
Tam nickt.
»Komm schon, Tam, bleib noch ein bisschen«, sagt Fiona gutmütig. »Tu so, als wärst du wieder jung und Single.«
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