Weiberabend: Roman (German Edition)
eines Abends beinahe in der Badewanne ertrunken wäre, während ich rotierte, um fünf Dinge gleichzeitig zu erledigen, und nicht sofort auf Jamies nonchalanten Ruf reagierte: »Mamiii, Aaron zappelt so komisch … und spritzt mich nass.« »Zappeln« war in der Tat eine wenig zutreffende Beschreibung, was Aaron gerade tat, nämlich »gegen das Ertrinken ankämpfen«. Aber Jamie war erst drei und ihr Wortschatz noch nicht so umfangreich. Während ich also endlich Pause machte, um ein Glas Wasser zu trinken, wozu ich den ganzen Tag noch nicht gekommen war, und mich bemühte, Interesse für die grässlichen Einzelheiten der lüsternen Exzesse meiner Schwester aufzubringen, war Aaron aus seinem Schwimmreifen gerutscht und lag mit dem Kopf unter Wasser. Er rang krampfhaft darum, Luft zu bekommen, während ich mir anhörte: »Er sagt, ›Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf‹, und ich sage ›Möchtest du mich nicht lieber woanders haben?‹«
Schluchzend vor Entsetzen stand ich da, drückte meinen spuckenden, hustenden, verängstigten kleinen Menschen an mich, und da dämmerte mir in voller Klarheit, wie viel es brauchte, damit ein Kind ertrank. Nichts. Einen abgelenkten Augenblick. Einen Anruf zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Einmal umdrehen, um einen blubbernden Kochtopf auszuschalten. Welches Netz kosmischer Güte hatte dieses Nichts bisher im Zaum gehalten? Glück? Karma? Engel oder Feen? Eine Physiotherapeutin, die mich wegen eines schmerzhaften Ischias’ behandelte, sagte dabei einmal zu mir: »Mein Dreijähriger ist in unserem Swimmingpool ertrunken.« Die Schaukel, von der das Kind heruntergehüpft war, schwang noch vor und zurück, als das Unwiderrufliche entdeckt wurde. Dieses grässliche Bild lässt mich immer noch aus schlimmen Alpträumen hochfahren. Ich habe diese Physiotherapeutin nie wieder aufgesucht. Ich konnte es nach diesem Bekenntnis nicht mehr ertragen, mich so dicht am Abgrund eines solchen Verlustes aufzuhalten.
Seitdem ärgere ich mich immer schrecklich über die Dummheit und Gedankenlosigkeit von Leuten, die Mütter zwischen fünf Uhr nachmittags und acht Uhr abends anrufen. Ich trage meine selbstgerechte Empörung vor mir her wie eine Flagge. Und wehe dem nichts ahnenden neuen Rekruten einer Marktforschungsfirma, der während dieser Zeit bei mir anruft oder klingelt. »Sagen Sie ihrem Chef, dass die Leute um diese Zeit mit ihren Kindern beschäftigt sind«, brülle ich ins Telefon. Die Mutigeren versuchen es dann noch mit: »Wann wäre denn ein günstigerer Zeitpunkt, Sie noch einmal anzurufen?« »Ach«, sagte ich mit hysterischem Lachen, »so in zehn Jahren.« Ich taumele voller Angst durch diese Hexenstunde, versuche, die Löcher des Chaos zu stopfen, das meine hungrigen, erschöpften, überdrehten, nicht zu beruhigenden Sprösslinge anrichten, während sich ständig neue Löcher und Risse auftun, wo die beiden gehen und stehen.
»Ich habe vor ein paar Jahren eine Freundschaft beendet«, erzählt Helen. »Eine Schulfreundin, die damals keine Kinder hatte, und heute noch keine hat, hat David, mich und die Kinder eingeladen, mit ihr Urlaub zu machen, aber stellt euch vor – auf einem Hausboot. Nicht eines meiner Kinder konnte damals schon schwimmen.«
»Du meine Güte. Und, was hast du gesagt?«, fragt Tam.
»Ich habe ihr gesagt: ›Gern, ich laufe dann den ganzen Tag hinter den Kindern her, damit sie nicht ins Wasser fallen, während du dich schön entspannst.‹ Das war ihr entsetzlich peinlich. Sie hat gesagt: ›Oh, das tut mir aber leid, daran hatte ich gar nicht gedacht …‹«, erinnert sich Helen.
»Es ist ja nicht so, dass sie gar nicht gedacht hätte«, sagt Ereka. »Sie hat nur nicht wie eine Mutter gedacht.«
Wir alle murmeln zustimmend. Es ist unmöglich für eine Mutter, die neurotischen Verwicklungen ihres Verstandes einer Nicht-Mutter zu erklären. Mütter leiten aus jedem denkbaren Szenario zahllose Möglichkeiten ab, suchen überall Gefahren, stellen sich immer das Schlimmste vor, wägen Risiken ab und kalkulieren die unendlichen wahrscheinlichen Folgen jeder scheinbar noch so harmlosen Situation. Blake mag fähig gewesen sein, »die Welt in einem Sandkorn zu sehn, und den Himmel in einer wilden Blume«, aber Mütter sehen »ein ausgestochenes Auge in einem gespitzten Bleistift und einen Schädelbruch in einem Skateboard …«. Kopfschmerzen könnten auf einen Hirntumor hinweisen, oder Meningitis, also schnell überprüfen, ob der Nacken steif ist. Man lässt ein
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