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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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unerschrockenen Frauen von
    Borograwien sind auf unserer Seite!«
    Und tatsächlich, in dem Alkoven, der der Chefwäscherin als Büro
    diente, hing ein Bild der Herzogin. Frau Enid war nicht besonders groß,
    aber sie hatte Unterarme wie Jade, eine nasse Schürze und einen
    überaus beweglichen Mund. Lippen und Zunge schienen jedem
    einzelnen Wort in der Luft Gestalt zu geben. In der Höhle mit dem
    zischenden Dampf, den Echos, dem tropfenden Wasser und dem
    Klatschen von nasser Kleidung auf Stein beobachteten die
    Wäscherinnen die Lippen, wenn ihre Ohren überfordert waren. Frau
    Enids Mund bewegte sich auch dann, wenn sie zuhörte, als versuchte
    sie, ein Nussstück zwischen den Zähnen zu lösen. Ihre Ärmel waren bis
    über die Ellenbogen hochgerol t.
    Sie blieb ungerührt, als Bluse die Gruppe vorstel te. »Ich verstehe«,
    sagte sie. »Na schön. Lass deine Jungs bei mir, Herr. Du sol test zum
    Bügelraum zurückkehren.«
    Als Bluse mit schwingenden Hüften im Dampf verschwunden war,
    musterte Frau Enid die Neuankömmlinge und durchschaute sie sofort.
    »Jungs«, brummte sie. »Ha! Das glaubt er. Frauen in Männerkleidung
    sind eine Abscheulichkeit in Nuggans Augen!«
    »Aber wir sind wie Frauen gekleidet, Frau Enid«, wandte Pol y
    unterwürfig ein.
    Frau Enids Mund bewegte sich wild. Dann verschränkte sie die Arme,
    als wol te sie eine Barriere gegen al es Gottlose und Verruchte bilden.
    »Es ist nicht richtig«, sagte sie. »Mein Sohn und mein Mann sind in
    dieser Festung gefangen, und ich rackere mich für den Feind ab, damit
    ich sie im Auge behalten kann. Sie wol en in unser Land einfal en, wisst
    ihr. Es ist erstaunlich, was wir hier unten hören. Was hat es also für
    einen Sinn, eure Männer zu befreien, wenn der handbemalte
    zlobenische Holzschuh auf uns al e tritt?«
    »Zlobenien wird unser Land nicht erobern«, sagte Reißer vol er
    Zuversicht. »Die Herzogin wird es verhindern. Hab keine Angst.«
    Reißer erntete den Blick, den sie immer bekam, wenn jemand sie zum
    ersten Mal hörte.
    »Du hast gebetet?«, fragte Frau Enid sanft.
    »Nein, nur zugehört«, erwiderte Reißer.
    »Nuggan spricht zu dir?«
    »Nein«, sagte Reißer. »Nuggan ist tot, Frau Enid.«
    Pol y nahm Reißers streichholzdünnen Arm. »Bitte entschuldige uns
    für einen Moment, Frau Enid.« Sie führte Reißer hinter eine große, von
    Wasser angetriebene Wäschemangel. Ihr Knarren und Quietschen
    bildete den akustischen Hintergrund für ein kurzes Gespräch.
    »Reißer, dies wird allmählich…« In Pollys Muttersprache gab es kein
    Wort für »schaurig«, aber wäre es ihr bekannt gewesen, hätte sie es gern
    in ihr Vokabular aufgenommen. »…sonderbar. Du beunruhigst andere
    Leute. Du kannst nicht einfach so sagen, dass ein Gott tot ist.«
    »Dann sage ich eben, dass er fort oder… irgendwie geschrumpft ist.«
    Dünne Falten bildeten sich auf Reißers Stirn. »Er weilt nicht mehr bei
    uns…«
    »Wir bekommen noch immer neue Abscheulichkeiten.«
    Reißer versuchte, sich zu konzentrieren. »Nein, sie sind nicht echt,
    mehr wie… Echos. Tote Stimmen in einer uralten Höhle. Sie springen
    hin und her, wobei sich die Worte verändern und Unsinn entsteht…
    Wie Fahnen, die man für Signale verwendete und die jetzt einfach nur
    im Wind wehen…« Reißer blickte ins Leere, und ihre Stimme klang
    sicherer, mehr wie die eines Erwachsenen. »Und sie kommen nicht von
    einem Gott. Hier gibt es jetzt keinen Gott.«
    »Woher kommen sie dann ?«
    »Von der Angst… Sie kommen aus dem Teil, der das Andere hasst,
    das sich nicht ändert. Sie kommen aus der Summe all unserer
    Kleinlichkeit, Dummheit und Stumpfsinnigkeit. Die Menschen fürchten
    das Morgen und haben aus ihrer Furcht einen Gott gemacht. Das weiß
    die Herzogin.«
    Die Mangel knarrte und knackte. Um Pol y herum zischten die
    Kessel, und Wasser strömte durch die Rinnen. Es roch nach Seife und
    nassem Stoff.
    »Ich glaube auch nicht an die Herzogin«, sagte Pol y. »Das im Wald
    war nur ein Trick. Jeder hätte sich umgesehen. Es bedeutet nicht, dass
    ich an sie glaube.«
    »Es spielt keine Rolle, Polly. Sie glaubt an dich.«
    »Wirklich?« Pol y sah durch die nasse, von Dampfschwaden erfül te
    Höhle. »Ist sie hier? Ehrt sie uns mit ihrer Präsenz?«
    Mit Sarkasmus konnte Reißer nichts anfangen. »Ja.«
    Ja.
    Polly blickte sich um.
    »Hast du gerade ja gesagt?«, fragte sie.
    »Ja«, erwiderte Reißer.
    Ja.
    Pol y entspannte sich. »Oh, ein Echo. Dies ist eine Höhle.

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