Weiberregiment
wie immer schnel er als du. Du
kennst mich. Ich bin Herzogin Annagowia.«
»Aber du bist…«, begann einer der Offiziere, doch Schnitz hob die
Hand.
»Die Stimme klingt… vertraut«, sagte sie, und es klang wie ein fernes
Flüstern.
»Ja. Du erinnerst dich an den Bal . Auch ich erinnere mich daran. Vor
vierzig Jahren. Du warst der jüngste Hauptmann, den es je im Militär
gegeben hat. Wir tanzten, ich ziemlich steif. Ich habe dich gefragt, wie
lange du Hauptmann warst, und du hast gesagt…«
»Seit drei Tagen«, hauchte Schnitz mit geschlossenen Augen.
»Und wir aßen Weinbrandkugeln und tranken einen Cocktail, der,
wenn ich mich entsinne…«
»Engelstränen«, sagte Schnitz. »So hieß er. Ich habe die Speisekarte
behalten, Euer Hoheit. Und auch die Tanzkarte.«
»Ja«, bestätigte die Herzogin. »Das hast du. Und als dich der alte
General Skaffer wegführte, sagte er: ›Das war etwas, wovon du deinen
Enkeln berichten kannst, mein Junge.‹ Aber du hast dich… so sehr dem
Dienst gewidmet, dass du nie Kinder bekommen hast… mein Junge…«
… mein Junge… mein Junge…
»Ich sehe Helden«, fuhr die Herzogin fort, blickte über die Tische und
musterte die anderen Offiziere. »Ihr al e habt… viel aufgegeben. Aber
ich verlange mehr. Viel mehr. Gibt es jemanden unter euch, der nicht
um meines Andenkens willen sein Leben im Kampf ließe?« Reißers
Blick glitt über die Gesichter. »Nein, ihr alle wärt dazu bereit. Und jetzt
verlange ich etwas, das die Unwissenden vielleicht für leicht halten.
Sterbt nicht im Kampf für mich. Rache ist keine Wiedergutmachung
eines Unrechts. Rache ist ein Rad, und es dreht sich rückwärts. Die
Toten sind nicht eure Gebieter.«
»Was verlangst du von mir, Euer Hoheit?«, brachte Schnitz hervor.
»Ruf die anderen Offiziere. Vereinbare einen Waffenstillstand. Dieser
Körper, dieses arme Kind, wird euch führen. Ich bin schwach, aber
kleine Dinge kann ich noch bewegen. Gedanken viel eicht. Ich werde
ihr etwas… überlassen, ein Licht im Auge, einen Ton in der Stimme.
Folgt ihr. Setzt das Heer in Bewegung.«
»Gewiss! Aber wie…«
»Setzt das Heer in Bewegung und zieht nach Borograwien! Im Namen
der Vernunft, kehrt heim. Der Winter kommt, das Vieh wird nicht
gefüttert, Alte erfrieren, Frauen trauern, das Land liegt brach. Kämpft
gegen Nuggan, denn er ist jetzt nichts, nur das giftige Echo al eurer
Ignoranz, Kleinlichkeit und boshaften Dummheit. Sucht euch einen
würdigeren Gott. Und lasst… mich… gehen! All die an mich
gerichteten Gebete und das Flehen! Zu viele gefaltete Hände, die mit
Entschlossenheit und Mühe mehr erreichen könnten! Und was war ich?
Nur eine ziemlich dumme Frau zu meinen Lebzeiten. Aber ihr habt
geglaubt, dass ich über euch wache und eure Gebete erhöre, und so…
blieb mir keine Wahl, ich musste euch zuhören, in dem Wissen, nicht
helfen zu können… Wenn die Leute doch nicht so achtlos wären mit
den Dingen, an die sie glauben. Geht. Zieht zu dem einen Ort, den ihr
nie erobert habt. Und diese Frauen werden euch helfen. Seid stolz auf
sie. Und damit ihr meine Worte nicht falsch auslegt, damit ihr nicht
zweifelt… Bevor ich gehe, möchte ich euch dieses Geschenk geben,
damit ihr euch erinnert. Einen Kuss.«
… einen Kuss…
…einen Kuss… einen Kuss… geben… einen Kuss…
…erinnert…
Wie eine Frau, wie ein Mann, hoben die Personen im Saal zögernd die
Hand zur linken Wange. Und Reißer brach so sanft wie ein Seufzen
zusammen.
Schnitz sprach als Erster. »Dies ist… Ich glaube, wir…« Sie schwieg
wieder.
Jackrum stand auf, griff nach seinem Tschako, klopfte den Staub
davon ab, setzte ihn auf den Kopf und salutierte. »Bitte um
Sprecherlaubnis, Herr.«
»Ach, um Himmels willen, Jackrum!«, erwiderte Schnitz
geistesabwesend. »Unter diesen Umständen? Ja…«
»Wie lauten deine Befehle, Herr?«
»Befehle?« Schnitz blinzelte und sah sich um. »Befehle… ja. Nun, ich
bin der Kommandeur, und ja… ich kann um einen Waffenstillstand bitten, Feldwebel…«
»Hauptfeldwebel, Herr«, sagte Jackrum. »In Ordnung, Herr. Ich
schicke einen Melder zu den Verbündeten.«
»Ich glaube… eine weiße Fahne…«
»Ist schon so gut wie erledigt, Herr, überlass es mir, Herr«, sagte
Jackrum und war die personifizierte Tüchtigkeit.
»Ja, natürlich… äh, bevor wir weitermachen… meine Damen und
Herren, ich… äh… einige der Dinge, die hier zur Sprache gekommen
sind… die
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