Weiberregiment
beim
dritten Versuch in die Scheide. »Das fördert die Moral.«
Pol y sah zum Tisch. Ein offenes Buch lag dort auf einem Stapel aus
anderen Büchern. Es schien sich um ein Lehrbuch für die Schwertkunst
zu handeln, und aufgeschlagen war es bei Seite fünf. Daneben lag eine
Brille mit dicken Gläsern.
»Liest du gern, Perks?«, fragte Bluse und klappte das Buch zu.
Pol y zögerte. Doch was hatte Schnieke schon zu befürchten? »Ja,
gelegentlich«, antwortete sie.
»Ich fürchte, ich muss die meisten zurücklassen«, sagte Bluse. »Nimm
dir eins, wenn du möchtest.« Er deutete auf die Bücher, und Pol y las
die Titel. Die Kunst des Krieges. Prinzipien des Gefechts. Kampfstudien.
Taktische Verteidigung.
»Zu anstrengende Lektüre für mich, Herr«, sagte sie. »Trotzdem
vielen Dank.«
»Nun, Perks, sind die Rekruten in, äh, guter Stimmung?«, fragte der
Leutnant.
Polly glaubte, in seinem Blick echte Anteilnahme zu erkennen. Er
hatte kein Kinn, stel te sie fest. Das Gesicht ging unten einfach in den
Hals über, ohne dabei auf Hindernisse zu stoßen. Der Adamsapfel
hingegen war preisverdächtig groß. Wie ein Bal an einem Gummiband
hüpfte er auf und ab.
Pol y war erst seit zwei Tagen Soldat, hatte aber schon einen Instinkt
entwickelt. Im Großen und Ganzen lief er auf Folgendes hinaus: Belüge
Offiziere. »Ja, Herr«, sagte sie.
»Haben sie alles, was sie brauchen?«
Der bereits erwähnte Instinkt fragte sich, ob Beschwerden dazu
führten, dass sie mehr bekamen, als sie schon hatten, und Pol y
antwortete: »Ja, Herr.«
»Es steht uns natürlich nicht zu, die Befehle infrage zu stellen«, sagte
Bluse.
»Das wollte ich auch gar nicht«, erwiderte Polly verwundert.
»Obwohl man manchmal den Eindruck gewinnen könnte, dass…«,
begann der Leutnant und unterbrach sich. »Die Kriegsführung ist
natürlich eine sehr unbeständige Sache, und im Kampf kann sich das
Blatt jederzeit wenden.«
»Jaherr«, sagte Pol y und musterte den Offizier noch immer. An
seiner Nase entdeckte sie eine Druckstelle von der Brille.
Dem Leutnant schien etwas durch den Kopf zu gehen. »Warum hast
du dich anwerben lassen, Perks?«, fragte er, tastete über den Tisch und
fand schließlich die Brille. Er trug Handschuhe aus Wol e, die Finger
abgeschnitten.
»Patriotische Pflicht, Herr!«, antwortete Polly sofort.
»Hast du über dein Alter gelogen?«
»Neinherr!«
» Nur patriotische Pflicht, Perks?«
Es gab solche und solche Lügen. Polly verlagerte das Gewicht voller
Unbehagen auf das andere Bein. »Ich würde gern herausfinden, was mit
meinem Bruder Paul geschehen ist, Herr.«
»Ah, ja.« Leutnant Bluses Gesicht, das ohnehin nicht sehr glücklich
wirkte, nahm einen gequälten Ausdruck an.
»Paul Perks, Herr«, fügte Pol y hinzu.
»Ich bin, äh, nicht in der Position, darüber Bescheid zu wissen,
Perks«, sagte Bluse. »Meine frühere Arbeit betraf… Ich war zuständig
für, äh, ich habe im Hauptquartier spezielle Arbeit geleistet, äh…
Natürlich kenne ich nicht alle Soldaten, Perks. Wa… Ist er dein älterer
Bruder?«
»Jaherr. Wurde im vergangenen Jahr Soldat bei den Rein-und-
Raussern, Herr.«
»Und, äh, hast du jüngere Brüder?«, fragte der Leutnant.
»Nein, Herr.«
»Oh, gut. Zumindest dafür sol te man dankbar sein.«
Polly fand diese Worte seltsam und runzelte verwirrt die Stirn.
»Herr?«, fragte sie.
Und dann fühlte sie eine unangenehme Bewegung. Etwas rutschte an
der Innenseite ihres Schenkels herab.
»Stimmt was nicht, Perks?« Der Leutnant hatte ihren
Gesichtsausdruck bemerkt.
»Neinherr! Nur ein… ein kleiner Krampf, Herr! Von al dem
Marschieren, Herr!« Pol y presste beide Hände an ein Knie und wich in
Richtung Tür zurück. »Ich gehe jetzt und… und hole dein Essen,
Herr!«
»Ja«, sagte Bluse und starrte auf ihr Bein. »Ja… bitte…«
Pol y verharrte im Flur, zog die Socken hoch und hakte ein Ende als
Anker hinter den Gürtel. Dann eilte sie hinunter in die Küche des
Gasthauses. Ein Blick teilte ihr all das mit, was sie wissen wollte. Die
Nahrungsmittelhygiene an diesem Ort bestand aus dem halbherzigen
Versuch, nicht in den Eintopf zu spucken.
»Ich möchte Zwiebeln, Salz, Pfeffer…«, begann sie.
Die Magd, die den rußschwarzen Topf auf dem rußschwarzen Herd
umrührte, sah auf, stellte fest, dass sie von einem Mann angesprochen
worden war, und strich sich rasch das feuchte Haar aus den Augen.
»Es gibt Eintopf, Herr«, verkündete
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