Weiberregiment
Kannibalismus!«, entfuhr es Toller. Er wich zurück.
»Nein, ist es nicht, zumindest nicht offiziell«, widersprach Dreistück
Skallot ruhig. »Von Kannibalismus spricht man nur, wenn jemand eine
ganze Person isst. So steht’s in den Vorschriften des Militärs.«
Al e Blicke richteten sich auf den großen, blubbernden Kochtopf.
»Pferd«, sagte Skallot. »Hier gibt’s nichts anderes als Pferdefleisch.
Das habe ich euch doch gesagt . Und ich würde euch nicht belügen,
Jungs. So, und jetzt rüstet euch mit den besten Dingen aus, die ihr hier
finden könnt. Wie lautet dein Name, Steinmann?«
»Karborund«, sagte der Trol .
»Hab dort hinten ein leckeres Stück Anthrazit beiseite gelegt und auch
rote Farbe für dich, denn ich bin noch nie einem Troll begegnet, der
eine Jacke tragen möchte. Ihr anderen, hört auf meinen Rat: Packt al es
mit Essbarem vol . Packt es in euren Rucksack. Fül t euren Tschako
damit. Gießt Suppe in eure Stiefel. Und wenn ihr ein Glas mit Senf in
die Finger bekommt, gebt es bloß nicht wieder her – es ist erstaunlich,
was man mit Senf al es essen kann. Und helft euren Kameraden. Und
geht Offizieren aus dem Weg, denn die sind ungesund. Das lernt man
beim Militär. Der Feind will eigentlich gar nicht gegen euch kämpfen,
denn er besteht zum größten Teil aus Burschen wie euch, die nach
Hause zurückwol en, vorzugsweise mit allen Körperteilen. Aber
Offiziere bedeuten den Tod für euch.« Skal ot sah sich um. »Na bitte,
ich hab’s gesagt. Und wenn ein Politischer unter euch ist: Von mir aus
kannst du davon erzählen und zur Höl e fahren.«
Nach einigen Momenten verlegenen Schweigens fragte Pol y: »Was ist
ein Politischer?«
»Eine Art Spion, nur auf der eigenen Seite«, sagte Maladikt.
»Ja«, bestätigte Skallot. »Heutzutage gibt es in jedem Bataillon welche,
und sie spionieren ihre Kumpel aus. Werden dadurch schneller
befördert. Man will keinen Dissens bei der Truppe. Niemand soll über
verlorene Schlachten und dergleichen reden. Was natürlich völ iger
Blödsinn ist, weil bei der Infanterie dauernd gemurrt wird. Das Murren
gehört zum Soldaten einfach dazu.«Er seufzte. »Wie dem auch sei,
schlafen könnt ihr dort hinten. Ich klopfe die Strohsäcke regelmäßig
aus, es sol ten also nicht zu viele Flöhe drin sein.« Er sah neuerliche
Verwunderung in den Mienen der Rekruten. »Damit meine ich die
Matratzen. Geht jetzt und nehmt, was euch gefällt. Wie gesagt, ich
mache alles dicht, wenn ihr fort seid. Wir müssen den Krieg gewinnen, wenn so tol e Burschen wie ihr in den Kampf ziehen, oder?«
Die Wolken hatten sich zerteilt, als Pol y in die Nacht hinaustrat, und
der Halbmond füllte die Welt mit kaltem Silber und Schwärze. Das
Gasthaus auf der anderen Seite war ebenfalls halb verfallen, ein
heruntergekommenes Lokal, das Soldaten schlechtes Bier ausschenkte.
Es stank nach uraltem Spülwasser, noch bevor Pol y die Tür öffnete.
Die Farbe war vom Schild geblättert, das Bild darauf nicht mehr zu
erkennen, aber sie las den Namen: Die Welt steht Kopf. Als sie die Tür
aufschob, wurde der Gestank noch schlimmer. Es hielten sich keine
Gäste im Schankraum auf, und von Strappi oder Jackrum war nichts zu
sehen, doch Pol y bemerkte eine Bedienstete, die den Schmutz auf dem
Boden mit einem Mopp gleichmäßiger verteilte.
»Entschuldige bi…«, begann sie, erinnerte sich dann an die Socken
und versuchte, zornig zu klingen »He, wo ist der Leutnant?«
Die Bedienstete sah sie an und deutete mit dem Daumen die Treppe
hinauf. Nur eine Kerze brannte dort, und Pol y klopfte an die erste Tür.
»Herein.«
Sie trat ein. Leutnant Bluse stand in der Mitte des Zimmers, in
Kniehose und Hemdsärmeln, ein Schwert in der Hand. Pol y war keine
Expertin für solche Angelegenheiten, glaubte aber, die elegante, stilvolle
Haltung zu erkennen, die Anfänger einnehmen, kurz bevor sich ihnen
die Klinge eines erfahreneren Kämpfers ins Herz bohrt.
»Ah, Perks, nicht wahr?«, sagte der Offizier und ließ das Schwert
sinken. »Ich mache nur, äh, Lockerungsübungen.«
»Ja, Herr.«
»Der Beutel dort drüben enthält Wäsche. Ich nehme an, jemand im
Gasthaus kann sie waschen. Was ist mit dem Abendessen?«
»Ich sehe nach, Herr.«
»Was essen die Männer?«
»Skubbo, Herr«, sagte Pol y. »Wahrscheinlich mit Pf…«
»Bring mir davon. Wir sind im Krieg, und ich muss meinen Männern
ein gutes Beispiel geben«, sagte Bluse und schob das Schwert
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