Weiberregiment
dürren
Jungen zusammenzubringen, der einen schlechten Haarschnitt hatte,
ungeschickt mit der Schaufel umging und dazu neigte, beim Gespräch
zu dicht vor einem zu stehen und links am Gesicht vorbeizusehen.
Reißer glaubte an das Gebet. Sie glaubte an alles. Das machte es…
schwer, mit ihr zu reden, wenn man ihren Glauben nicht teilte. Aber
Polly meinte, dass sie es versuchen sollte.
»Wie alt bist du, Reißer?«, fragte sie und schaufelte Erde beiseite.
»N-n-neunzehn, Pol y«, antwortete sie.
»Warum bist du Soldat geworden?«
»Die Herzogin hat mich dazu aufgefordert«, sagte Reißer.
Das war der Grund, warum andere Leute nicht viel mit Reißer
sprachen.
»Reißer, du weißt doch, dass es eine Abscheulichkeit ist, die Sachen von Männern zu tragen.«
»Danke, dass du mich daran erinnerst, Pol y«, sagte Reißer ohne eine
Spur Ironie. »Aber die Herzogin hat mir gesagt, dass nichts, was zur
Erfüllung meiner Mission nötig ist, als abscheulich gilt.«
»Eine Mission, wie?«, erwiderte Pol y und versuchte, jovial zu klingen.
»Und was für eine Mission ist das?«
»Ich sol den Befehl über das Heer übernehmen«, sagte Reißer.
Pollys Nackenhaare richteten sich auf. »Tatsächlich?«, fragte sie.
»Ja. Als ich schlief, trat die Herzogin aus ihrem Bild und sagte mir, ich
sol te mich sofort auf den Weg zum Kneck machen«, erklärte Reißer.
»Die Kleine Mutter sprach zu mir, Schnieke. Sie gab mir einen Auftrag.
Sie lenkte meine Schritte. Sie führte mich aus der scheußlichen
Sklaverei. Wie kann das eine Abscheulichkeit sein?«
Sie hat ein Schwert, dachte Pol y. Und eine Schaufel. Ich muss
vorsichtig sein. »Das ist nett«, sagte sie.
»Und… und ich muss dir sagen, dass ich… nie zuvor in meinem
Leben solche Liebe und Kameradschaft gefühlt habe«, fuhr Reißer ganz
ernst fort. »Die letzten Tage waren die schönsten meines Lebens. Ihr
al e seid so freundlich und sanft zu mir. Die Kleine Mutter führt mich.
Sie führt uns al e, Schnieke. Das glaubst du doch auch?« Der
Mondschein erhel te Tränenspuren im Schmutz auf Reißers Wangen.
»Äh«, sagte Pol y und suchte nach einer Möglichkeit, nicht zu lügen.
Sie fand eine. »Äh… weißt du, dass ich meinen Bruder suche?«,
erwiderte sie.
»Das ehrt dich, wie die Herzogin weiß«, sagte Reißer sofort.
»Und… ich mache es auch für die Herzogin«, fügte Pol y hinzu und
fühlte sich schrecklich. »Ich muss zugeben, dass ich die ganze Zeit über
an die Herzogin denke.« Das stimmte. Es war nur nicht ganz ehrlich.
»Es freut mich sehr, das zu hören, Schnieke, denn ich habe dich für
eine Abtrünnige gehalten«, entgegnete Reißer. »Aber du hast das mit
großer Überzeugung gesagt. Vielleicht sollten wir jetzt niederknien
und…«
»Reißer, du stehst im Grab eines fremden Mannes«, sagte Polly. »Dies
ist wohl kaum ein geeigneter Ort. Lass uns zu den anderen
zurückkehren.«
Die schönsten Tage in seinem Leben hatte dieses Mädchen damit
verbracht, durch Wälder zu marschieren, Gräber auszuheben und
Soldaten beider Seiten auszuweichen? Pollys Problem war, dass ihr Ich
auch dann Fragen stel te, wenn sie die Antworten eigentlich gar nicht
wissen wollte.
»Äh… spricht die Herzogin noch immer zu dir?«, fragte Pol y, als sie
durch den dunklen Wald gingen.
»Ja«, bestätigte Reißer. »Sie sprach in Plotz zu mir, in der Kaserne. Sie
meinte, es klappt alles.«
Stell keine, keine weitere Frage, riet ein Teil von Pol ys Bewusstsein, aber sie ignorierte diesen Rat aus reiner, schrecklicher Neugier. Reißer
war nett – in einer leicht unheimlichen Weise –, aber mit ihr zu reden
war, wie an Schorf zu kratzen: Man wusste, was sich wahrscheinlich
unter der Kruste befand, aber man kratzte trotzdem.
»Was hast du in der zivilen Welt gemacht?«, fragte Polly.
Reißer lächelte schwermütig. »Ich wurde geschlagen.«
In einer kleinen Senke abseits des Weges wurde Tee gekocht. Einige
Mitglieder der Gruppe standen Wache. Niemandem gefiel die
Vorstel ung von Männern in dunkler Kleidung, die in der Nähe
umherschlichen.
»Einen Becher Saloop?«, fragte Knal er. Vor einigen Tagen hätte sie
das Getränk »süßer Milchtee« genannt, aber auch wenn sie noch nicht
richtig marschieren konnten: Sie waren entschlossen, so bald wie
möglich richtig zu reden.
»Was passiert?«, fragte Polly.
»Keine Ahnung«, erwiderte Knal er. »Der Feldwebel und der Rupert
sind mit dem Gefangenen dorthin gegangen, aber uns
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