Weiberregiment
sie und sah zu dem Auge mit dem runden Glas. »Äh… wofür ist das Glas, Herr?«
»Das ist ein Monokel«, erklärte der Hauptmann. »Es hilft mir dabei, dich zu sehen, wofür ich ewig dankbar bin. Und wer weiß? Wenn ich noch ein Glas hätte, könnte ich dich glatt durchschauen.«
Der Feldwebel lachte höflich. Pollys Miene blieb leer.
»Wirst du mir sagen, wo die Rekruten sind?«, fragte der Hauptmann.
Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Nein.«
Der Hauptmann lächelte. Er hatte gute Zähne, aber in seinen Augen war jetzt keine Wärme mehr.
»Du musst darüber Bescheid wissen«, sagte er. »Wir tun ihnen nicht weh, das versichere ich dir.«
In der Ferne schrie jemand.
»Zumindest nicht sehr«, sagte der Feldwebel mit mehr Genugtuung als notwendig. Ein zweiter Schrei erklang. Der Hauptmann nickte dem Soldaten bei den Fenstern zu, woraufhin der Mann nach draußen ging. Polly holte den Tschako unter der Theke hervor und setzte ihn auf.
»Einer von ihnen hat dir seine Mütze gegeben?«, fragte der Feldwebel. Seine Zähne waren nicht annähernd so gut wie die des Hauptmanns. »Ich mag ein Mädchen, das Soldaten anlächelt…«
Der Knüppel traf ihn am Kopf. Er bestand aus altem Schlehdornholz, und der Bursche fiel wie ein Baum. Der Hauptmann wich zurück, als Polly hinter der Theke hervorkam, den Knüppel zu einem neuen Schlag erhoben. Aber er hatte sein Schwert nicht gezogen und
lachte.
»Ach, Mädchen, wenn du willst…« Er griff nach ihrem Arm, als sie ausholte, zog sie zu sich, immer noch lachend und klappte fast lautlos zusammen, als Pollys Knie seine Schublade mit den Socken traf. Danke, Zahnloser. Als der Offizier zu Boden sank, trat Polly zurück und schlug ihm den Knüppel gegen den Helm, wobei ein Geräusch wie
Boing
erklang.
Sie bebte am ganzen Leib und fühlte sich elend. Ihr Magen war ein kleiner rot glühender Klumpen. Was hätte sie sonst tun können? Sollte sie glauben
Wir sind dem Feind begegnet, und er ist nett?
Nein, der Feind war nicht nett, sondern blasiert.
Sie zog ein Schwert aus der Scheide und kroch in die Nacht hinaus. Es regnete noch immer, und hüfthoher Nebel zog vom Fluss heran. Sechs oder sieben Pferde standen draußen, nicht angebunden. Ein Soldat bewachte sie. Polly hörte seine leise Stimme vor dem Rauschen des Regens, als er versuchte, ein Pferd zu beruhigen. Sie bedauerte, ihn gehört zu haben. Aber sie hatte den Schilling genommen. Polly schloss die Hand fester um die Keule.
Sie war erst einen Schritt weit gekommen, als sich der Nebel zwischen ihr und dem Soldaten nach oben wölbte. Etwas Dunkles wuchs aus ihm. Die Pferde scheuten. Der Soldat drehte sich um, ein Schatten bewegte sich, der Soldat fiel…
»He!«, flüsterte Polly.
Der Schatten drehte sich. »Schnieke? Ich bin’s, Maladikt«, sagte er. »Der Feldwebel hat mich geschickt, um festzustellen, ob du Hilfe brauchst.«
»Der verdammte Jackrum hat mich von Bewaffneten umgeben zurückgelassen!«, zischte Polly.
»Und?«
»Nun, ich… habe zwei von ihnen niedergeschlagen«, sagte Polly und begriff, dass sie damit ihre Rolle als Opfer untergrub. »Einer lief über die Straße.«
»Ich glaube, den haben wir erwischt«, sagte Maladikt. »Ich meine, wenn ich ›erwischt‹ sage… Toller hätte ihn fast in Stücke geschnitten. Sie scheint eine Menge ungelöste Probleme zu haben.« Er blickte sich um. »Mal sehen… sieben Pferde, sieben Männer. Alles klar.«
»
Toller
?«, fragte Polly.
»Ja. Hast du sie nicht erkannt? Sie schnappte regelrecht über, als einer der Männer auf Stecher losging. Sehen wir uns die Herren mal an.« Maladikt ging zur Tür des Wirtshauses.
»Aber Stecher und Toller…« Polly musste laufen, um zu Maladikt aufzuschließen. »Ich meine, so wie sie sich verhalten, sie… Ich habe sie für seine Freundin gehalten, und Toller für… Ich meine, ich wusste, dass Stecher ein Mädchen ist…«
Selbst in der Dunkelheit glänzten Maladikts Zähne, als er lächelte.
»Die Welt enthüllt sich immer mehr, nicht wahr,
Schnieke
! Jeder Tag bringt etwas Neues. Du bist Transvestit geworden, wie ich sehe.«
»Was?«
»Du trägst einen
Unterrock,
Schnieke«, sagte Maladikt und betrat das Wirtshaus. Polly sah an sich herab und begann, den Unterrock abzustreifen. Dann dachte sie: Moment mal…
Der Feldwebel hatte sich an der Theke hochgezogen und übergab sich. Der Hauptmann stöhnte auf dem Boden.
»Guten Abend, meine Herren!«, sagte der Vampir. »Bitte passen Sie auf. Ich bin
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