Weichei: Roman (German Edition)
hast du denn Sex gemacht schon?«
Erwischt. Ich habe gepokert und verloren. Denn vor meiner siebeneinhalbjährigen Beziehung mit Steffi hatte ich ebenfalls eine vier Jahre lange Beziehung. Veronika war meine erste große Liebe und hat mich entjungfert. Später entschied sie sich für ein Medizinstudium in Hamburg und einen Investmentbanker mit erblich bedingtem Haarausfall.
»Meinst du mit meiner Ex oder ohne?«
»Kollege, wie viele?«
»Zwei«, gebe ich zu und schiele aus den Augenwinkeln zu ihm herüber.
Emile schüttelt den Kopf. Verächtlich wiederholt er die Zahl: »Zwei.« Dann biegt er ab, und wir stoppen auf einem Parkplatz, über dem ein großes Schild angebracht ist: FKK Club Palace.
Ich ahne Fürchterliches, doch Emile schiebt mich ohne ein weiteres Wort durch die Eingangstür des Klubs.
»Emile, das ist jetzt aber kein Puff, oder?«
»Nein, is nix Puff. Ist viel besser, und jetzt entspann dich.«
Im Empfangsbereich des Klubs erwartet uns eine circa fünfzigjährige Blondine mit rosafarbenem Lipgloss und einer derart sonnengegerbten Haut, dass sie eine Bereicherung für das Deutsche Ledermuseum in Offenbach darstellen würde. Sie erinnert mich an irgendjemanden, ich komme jedoch nicht darauf, an wen.
Hoffentlich kennt sie mich nicht von der Tankstelle, schießt es mir durch den Kopf. Das wäre dann wohl hoffentlich auch Emile unangenehm. Die Frau macht aber einen netten Eindruck und fragt, ob wir schon einmal hier gewesen wären. In diesem Moment überlege ich mir, welche der Fakten mir eigentlich peinlicher ist: Dass ich zugeben muss, noch nie in solch einem Laden gewesen zu sein, dass sie mich von der Tankstelle kennen könnte oder dass ich den Begriff Lipgloss sofort griffbereit in meinem Kopf gespeichert habe.
»Sind beide Stammgäste«, antwortet Emile für mich mit. Danach erklärt er mir, dass man immer sagen solle, schon mal hier gewesen zu sein. Das würde mich bei den Damen vor Abzocke schützen, da viele der Frauen sonst mehr Geld verlangen würden als nötig.
Aha. Aber ist ja kein Puff. Schon klar, Emile.
Aus den Augenwinkeln erkenne ich, dass die Empfangsdame zum Glück nicht repräsentativ für die aktive Belegschaft ist. Denn tatsächlich, eine absolute Hammerfrau verabschiedet gerade einen Mann, der ihr zum Abschied noch einen Kuss auf den Mund gibt. Und ich dachte immer, dass Damen aus dem horizontalen Gewerbe sich nicht küssen lassen.
»Deine Schuhgröße?«
Ich glaube mich zunächst verhört zu haben und frage daher bei der Lipglosstante nach.
»Wie bitte?«
»Deine Schuhgröße, bitte.«
Die Sonnengegerbte fragt mich tatsächlich nach meiner Schuhgröße, und ich wäge ab, ob dies womöglich eine Metapher für die Ausmaße meines Glieds sein könnte. Dennoch antworte ich wahrheitsgemäß mit Größe zweiundvierzig und warte wahlweise auf einen respektvollen Blick oder schallendes Gelächter. Beides bleibt aus, und ich bekomme tatsächlich Badelatschen gereicht. Sofort muss ich an Adilette von der Natascha-Party denken und stelle für mich die schlüssige These auf, dass er wahrscheinlich direkt von hier zu der Party gefahren ist und einfach nur vergessen hatte, sich der Latschen zu entledigen.
Wir gehen zu den Umkleidekabinen, und auch Emile sieht orientierungslos aus, was mich wundert. Ich hätte wetten können, er haut hier seine gesamte Kohle von der Tankstelle in einer Nacht raus. Ein großer Raum mit unendlich vielen Spinden empfängt uns. Ganz so wie in einer großen Therme. Rasch pellen wir uns aus unseren Klamotten, und ich beobachte, was Emile als Nächstes macht, um nicht negativ aufzufallen. Okay, er wickelt sich sein Handtuch um die Hüften. Ich tue es ihm gleich und verstaue den Rest der Kleider im Spind.
Nach einer kurzen Dusche und einem Handtuchwechsel gehen wir vorbei an einem großen Buffet ins Innere des Klubs. Ich muss sagen, dass ich meine Vorurteile tatsächlich in keiner Weise bestätigt sehe. Keine siffigen Räume mit abgewrackten Frauen, die sich schwitzenden, alten Männern hingeben müssen und sich dann wieder peinlich berührt um die nächste Ecke schieben.
Die Atmosphäre gleicht eher einem Wellnessbereich. Es gibt hier eine Sauna, Dampfbad, Kino, Relaxliegen und Massagebereiche. Und die Frauen sind mit Abstand das Attraktivste, was ich seit Langem gesehen habe.
Wir setzen uns an die Bar, und ich begehe den ersten Fehler, indem ich mir ein Bier bestelle. Die Bedienung erklärt mir, dass es hier keinen Alkohol gibt. Außer Champagner.
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