Weichei: Roman (German Edition)
bei dir auch die ganze Zeit geschwiegen?«
»Ja, verdammt«, antwortet er. »Ich dachte schon, es läge an mir.«
»Und diese triebige Rothaarige.«
Wieder lacht er zustimmend. Gleich setze ich an. Das Lachen wird dir im Halse stecken bleiben.
»Und weißt du was?«, fragt er mich.
»Was?«
»Als ich eben auf der Toilette war, stand diese Transe neben mir am Urinal. Echt komisch, wenn neben dir einer das Kleid beim Pinkeln hebt.«
Ich steige laut mit in das Lachen ein, weiß aber nicht genau, wieso.
»Wen meinst du? Eine von den Bedienungen?«
»Nein, die mit den braunen Haaren, mit der Perücke, die dort hinten in der abgedunkelten Ecke gesessen hat. Weißt schon, die Transe, das Callgirl … Oder soll man da besser Callboy sagen?«
Wieder lacht er laut auf, doch diesmal steige ich nicht mit ein. Stattdessen erstarre ich zur Salzsäule und schaue ihm bewegungslos in die Augen wie ein junger Rehbock ins Abblendlicht eines Achtzehn-Tonners.
»Wie, wie meinst du das?«, versuche ich hilflos von der Fahrbahn zu hoppeln.
»Justine oder wie er sich nennt. Sie ist bekannt dafür, dass sie sich hier immer ein paar Kunden organisiert. Macht das auch ganz offiziell und verteilt ihre Karten.«
Rumms, schon hat er mich überrollt und von der Straße gefegt. Ich taste in meiner Tasche nach dem Papier und fühle die scharf geschnittenen Kanten der rechteckigen Karte. Nein, ich werde sie jetzt nicht rausholen.
»Na ja, ich werde dann mal. Kerstin und ich wollen noch was trinken gehen. Man muss ja nicht immer auf das Auswerten der Zettel warten, oder?«
Ein freundschaftlich gemeinter Klaps auf meine Schulter folgt. Er fühlt sich aber wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht an. Die beiden winken noch in die Runde, als sie die Bar verlassen. Nur Kerstin würdigt mich keines Blickes mehr. Zeitgleich fische ich die Visitenkarte hervor.
JUSTINE – Hostess- und Begleitservice –
entdecke die Leidenschaft mit dem besonderen Etwas!
Ich spüre die Blicke der anderen auf meinen Schultern. Auf den Schultern, die sich gerade noch stolz wie das Federrad eines Pfaus spannten. Nun sacken sie an der Theke zusammen, und ich wende mich an den Barkeeper: »Einen Cuba Libre. Doppelt, bitte. Und lassen Sie den Rum am besten gleich hier stehen.«
12
Gekachelter Blindflug
H eute habe ich um halb neun den Termin beim Urologen zwecks Spermaprobe wegen der plötzlich entstandenen Südseeinseln in meinem Schritt.
Immerhin bin ich schon aufgestanden und gehe in die Küche, mache mir ein Brot, stecke wie selbstverständlich den Stecker meines Staubsaugers in die Steckdose und entferne zunächst aufs Neue das tägliche Ameisenschlachtfeld vor meinem Fenster. Irgendwie ringen sie mir immer mehr Respekt ab. Ich überlege kurz, wie es den Ameisen in dem dunklen Sack wohl ergeht, erkenne dann aber die Unsinnigkeit meines Gedankens, da die Ameisen ja bereits tot sind und sich somit relativ wenig Gedanken über die plötzliche Dunkelheit machen dürften. Ob meine möglichen Chlamydien sich in meinem dunklen Säckchen auch komisch vorkommen? Und wie sehen die eigentlich aus? Vielleicht auch so kleine Biester mit vielen Beinchen und Fühlern? Komischerweise spüre ich gar nichts von diesen Chlamydien, aber das hat ja nicht wirklich viel zu sagen. Ich fühle mich schlecht bei dem Gedanken, eine Spermaprobe abgeben zu müssen und würde mir bei der ganzen Aktion gerne wie Sagenheld Siegfried eine Tarnkappe über den Kopf ziehen, um unsichtbar zu werden. Es fühlt sich nicht wirklich gut an, wenn man weiß, dass man ’ne halbe Stunde später in einer Arztpraxis seinen Körpersaft wie auf Bestellung abzapfen soll.
»Ich hätte gerne einen doppelten Süßemilch. Geschüttelt … nicht gerührt.«
»Kleinen Moment, kommt sofort…«
Exakt vierunddreißig Minuten später bewege ich mich mit ähnlich unaufdringlicher Grazie wie einst als Achtzehnjähriger, als ich mich erstmalig mit zittriger Hand und tief ins Gesicht gezogener Baseballkappe in den Erwachsenenbereich einer Videothek gestohlen habe. Und genau so wie einst mit Rocco Siffredis Porno-DV D Arsch Parade 1 in der Hand, werde ich pfeilschnell mit dem Becher in der Hand meine Mission durchziehen. Wie ein Schatten werde ich durch den Raum wandern und schneller wieder verschwunden sein, als man das Wort Spermaprobe oder Roccos Arsch Parade 2 aussprechen kann. Ich halte es da mit George W. Bush und handele wie die US-Army im Irakeinsatz. Einfach schnell rein in den Laden, Mission
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