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Weichei: Roman (German Edition)

Weichei: Roman (German Edition)

Titel: Weichei: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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liebsten über die Rezeption klettern, um ihr eine zu scheuern. Kannst dir ja gleich ein Megafon nehmen, eine Sirene um deinen dicken Kopf schnallen und dich unten an die Kreuzung stellen. »Robert Süßemilch hat vielleicht Chlamydien und wichst sich heute um elf Uhr einen. Heute. Bei uns oben in der Praxis. Kommen Sie vorbei und lassen Sie sich dieses Naturschauspiel nicht entgehen. Heute und nur bei uns!«
    Es entsteht einen Augenblick Stille, in dem wir beide dankbar für das aufkommende Gesprächsvakuum zu sein scheinen. Ich versuche, dabei krampfhaft den Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, wie Jutta den Patienten beim Abgeben ihrer Probe zur Hand geht .
    »Wie schnell brauchst du es denn?«
    »Bitte?« Ich fahre erneut erschrocken zurück und hoffe, dass Jutta meine Gedanken nicht lesen konnte.
    »Das Ergebnis. Wie schnell brauchst du es denn?«
    »Ach so. Na, so schnell wie möglich.«
    »Ich frag nur, weil die Praxis ab morgen für vierzehn Tage wegen Urlaub geschlossen ist und dir sonst keiner Auskunft geben kann.«
    »Vierzehn Tage? Das ist nicht dein Ernst? Das muss doch irgendwie schneller gehen, oder?«
    Ich versuche, so charmant wie möglich zu sein. Was bei einer Frau wie Jutta schon an Selbstvergewaltigung grenzt. Sie verzieht ihren Mund und saugt dabei zischend Luft durch ihre Zähne, als würde ich sie darum bitten, den Papst zu entführen.
    »Geht eigentlich nicht.«
    »Aber nur eigentlich …«
    Sie legt den Kopf in den Nacken und lächelt. Ein gutes Zeichen.
    »Na ja, okay, Robbie. Weil wir uns kennen, lege ich deine Probe mal ganz oben auf den Labortisch. Ich ruf dich morgen Mittag pünktlich um zwölf an und gebe dir das Ergebnis durch. Muss mich aber drauf verlassen können, dass du drangehst. Ich darf es dir nämlich nur persönlich sagen.«
    »Ehrenwort.«
    »Danach gibt’s keine Chance mehr. Ich schalte direkt den Anrufbeantworter an, und die Praxis ist für zwei Wochen dicht.«
    »Super.«
    »Ich verlass mich auf dich.«
    »Kannst du zu hundert Prozent.«
    »Okay.«
    »Danke.«
    Danach werden Plastikbecher und Versichertenkarte getauscht und mir eine Kabine zugewiesen, in der ich mein Geschäft verrichten soll.
    »Du kannst dann den Becher einfach hier drüben auf die Durchreiche stellen. Wir holen ihn uns dann für die Untersuchung.«
    »Okay, danke.«
    Die Tür schließt sich hinter mir, und ich bin alleine mit der Toilette samt Waschbecken, einem Plastikbecher, der meinen Namen trägt, einer Schachtel Kleenex und vier Quadratmeter stimulierend weißer Kacheln. Über mir brummt eine Neonröhre in dem ansonsten fensterlosen Raum und zaubert eine romantische OP-Stimmung in die kleine Onaniergrotte. Aber das Schlimmste ist, dass ich nun Jutta im Kopf habe, und das trägt nicht wirklich zur Beschleunigung meines Vorhabens bei. Und eine weitere Sache geht mir durch den Sinn: Wenn ich jetzt auch noch länger brauche als normal, denkt Jutta womöglich, ich sei ein Schlappschwanz. Und das würde dann bei Juttas Tratschqualitäten auf dem Klassentreffen zwangsläufig zu einem Hauptthema werden.
    Also los, Robert, zeig, was in dir steckt.
    Ich stelle den Becher auf die Durchreiche und schraube den Deckel ab, dann öffne ich Gürtel und Hose. Ich schaue zu meinem kleinen Spender hinab, der indes noch keine Anstalten macht, sich auf das Unvermeidliche besonders zu freuen. Super ist auch, dass man jeden Patienten, der zur Praxistür hereinkommt, bestens hören kann. Selbst Juttas Begrüßungstext auf dem Anrufbeantworter ist so gut zu hören, dass man meinen könnte, einen heimlichen Wichsplatz unter ihrem Schreibtisch bezogen zu haben. Außerdem wird mir bewusst, dass der akustische Weg wohl auch in entgegengesetzter Richtung funktioniert. Das heißt demnach, dass alle Töne aus dem Kachelparadies ebenso ungebremst hinaus in den Vorraum dringen wie hier herein. Demnach können alle wartenden Patienten diesem besonderen Live-Hörspiel beiwohnen. Inklusive Jutta.
    Ich beginne mit den klassischen Repetierbewegungen, die jedoch so mechanisch verlaufen, dass es den aphrodisischen Effekt eines HILTI-Schlagbohrers hat. Gedanken an pralle Pobacken kreuzen sich mit Bildfetzen von der pickligen Stirn
Juttas. Auf die Brüste von Scarlett Johannsen folgen Eindrücke vom Matheunterricht der zwölften Klasse. Und selbst Erinnerungen von Mushishu werden durch die Gespräche außerhalb meines Fliesenpalasts zerstört, die ich unweigerlich mit anhören muss.
    »Guten Tag, Herr Bohlmann, kommen Sie wegen der

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