Weichei: Roman (German Edition)
der Lichtschalter. Scheiße. Ich habe aus Versehen den falschen Schalter getroffen. Dieses Erlebnis wird Jutta sicherlich bunt ausschmücken. Das Klassentreffen habe ich jedenfalls soeben für mich abgesagt.
»Und als du nicht auf das Klopfen reagiert hast, habe ich die Notöffnung betätigt. Ich dachte, es wäre was passiert …«
»Ja, kann ich bestätigen.« Herr Bohlmann nickt und kratzt sich dabei im Schritt. »Sie hat vorher angeklopft.«
»Äh, nee. Es ist alles okay.«
Zwar stottere ich, aber halte ihr wie als Beweis den nur mäßig gefüllten Becher hin. Keine gute Idee. Niemand schaut sich so etwas gerne an und klopft einem dafür auch noch anerkennend auf die Schulter. Aber in Notsituationen handelt man halt nicht immer hundert Prozent rational.
»Schon okay. Also noch mal sorry.«
Jutta zieht die Tür hinter sich zu, und Herr Bohlmann muss dermaßen lachen, dass er sich fast vorzeitig seines Mittelstrahls entledigt.
Als ich wieder alleine im Kachelofen bin, mich gesäubert und angezogen habe, überprüfe ich das eigentliche Ziel meiner Anwesenheit. Den Becher.
Die Befüllung bedeckt gerade mal den Boden.
Irgendwie dürftig.
Und da ich nun zu hundert Prozent das Hauptgespräch auf dem Klassentreffen sein werde, muss ich jetzt wenigstens mein Gesicht als Mann wahren. Mit ein wenig Spucke und einem
Schuss Leitungswasser aus dem Waschbecken verändert sich der Inhalt binnen Sekunden zu einem achtbaren Zuchtbullenergebnis. Zufrieden stelle ich den Becher auf das Tablett und verlasse meinen persönlichen Irak. Dass man sich aber auch immer mit diesen Missionen so dermaßen vertut. Selten zuvor habe ich so gut mit Georg W. Bush empfinden können wie in diesem Moment.
Als ich die Kabine verlasse, ist Jutta zum Glück gerade nicht anwesend, und ich schleiche mich aus der Praxis. Wie ein Schatten, der durch den Raum wandert. Ein Schatten, der vor Peinlichkeit gebückt seine Truppen heimlich still und leise aus dem Sperma-Irak abzieht.
13
Handykauf ist Vertrauenssache
I ch nutze den Besuch in der Stadt, um ein weiteres Geschäft zu erledigen. Eines, das mich von einem weitaus größeren Druck befreit, als es jede Spermaprobe könnte. Es geht um das Aufarbeiten von alten Wunden.
Eines der letzten Streitthemen zwischen mir und Steffi war nämlich der Kauf eines neuen Handys. Sie meinte, ich bräuchte keines, da das alte noch seinen Dienst leiste. Ich hingegen war ein Anhänger der These, dass ich mir mit Ablauf meines Vertragszeitraums auch mal wieder ein neues Handy kaufen könnte, da das alte sicher bald den Geist aufgeben würde. Es ist eines der älteren Generationen, und man kann damit telefonieren und Nachrichten schreiben. Das war’s. Mein Anbieter hatte mir als Option das neue Sony Ericsson Xperia X10 mini in Aussicht gestellt mit einer monatlichen Zuzahlung von fünf Euro. Ein etwa streichholzschachtelgroßes Meisterwerk finnischer Designerkunst. Steffi fand es nicht ganz so eindrucksvoll. Auf diesen kleinen Dingern könne man keine vernünftige SMS schreiben. Und überhaupt würde ich das Minihandy bei meiner Schusseligkeit doch ohnehin nur verlieren.
Da mein Vertrag noch nicht ausgelaufen war und ich die Diskussion beenden wollte, erklärte ich mich einverstanden und behielt mein Mobiltelefon.
Zunächst.
Doch nun ist mein Vertrag fast ausgelaufen. Und da ich Single bin, kann ich mir das kleinste Handy der Welt zulegen, ohne dass mich irgendjemand mit seiner bescheuerten Meinung davon abhalten kann. Auch wenn ich nicht den blassesten Schimmer von Handys habe.
Mit gestärktem Geist und Willen steuere ich also den nächsten Handyladen meines Anbieters an und schaue mir die verschiedenen Modelle etwas genauer an, bis einer dieser unglaublich jungen Verkäufer auf mich zutritt, der so aussieht, als würde er gleich aus seiner von Mama gepackten Frühstücksdose eine Milchschnitte hervorkramen.
»Kann ich Ihnen helfen?« Der junge Mann grinst mich an, und ich überlege, ob sein Seitenscheitel betoniert ist. Helge Steinhöfer steht auf seinem Namensschild, erinnert mich aber an irgendjemand ganz anderen, ich komme aber nicht drauf, an wen.
»Denke schon. Arbeiten Sie hier?«
»Ja.«
»Schulpraktikum?«
»Nein, ich bin stellvertretender Filialleiter.«
»Ach.« Mich reizt es zu fragen, wie alt er ist und wie man in so jungen Jahren an einen solchen Posten kommen kann. Das wäre aber sicherlich unhöflich. »Wie alt sind Sie?«, höre ich mich plötzlich zu meiner eigenen Überraschung
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