Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weichei: Roman (German Edition)

Weichei: Roman (German Edition)

Titel: Weichei: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
Vom Netzwerk:
Bier-Currywurst-Pommes-Gemisch gleichzeitig auch noch atmen und reden kann.
    »Schmeckt wie Oma unnerm Arm, un aus der Fettsoß gucke ja mer Auge naus als nei.«
    »Fett ist ein Geschmacksträger, machen wir extra nur für dich«, erkläre ich ihm und sehe, wie er den nächsten Rülpser in seiner Gier halb verschluckt.
    Während sich Rolf und Henninger also wie jeden Abend gepflegt einen reinknistern, schaue ich pflichtbewusst hinaus zu den Zapfsäulen, die um diese Uhrzeit meist wenig Anklang finden. Die umliegenden Unternehmen setzen alle frühmorgens ihren Fuhrpark in Bewegung, die einzige Zeit, in der sich diese Tankstelle rechnet.
    An Säule drei steht eine süße Blondine mit dem Rücken zu mir und zapft sich ein wenig Bleifrei in ihren Peugeot 306. Ja, manchmal hat auch der Oktangott ein wenig Mitleid mit mir. Dann dreht sie sich um, und mich trifft der Schlag, denn das Gesicht kommt mir nur allzu bekannt vor.
    Es ist Jana.
    Die Jana.
    Meine Jana.
    Richtig. Sagte sie nicht in einer der letzten SMS etwas von einem neuen Job im alten Industriegebiet? Aber viel schlimmer ist das, was ich sagte. In ihren Augen bin ich immer noch ein Pilot.
    »Heilige Scheiße«, entfährt es mir, und ich ducke mich pfeilschnell hinter den Tresen, dass sie mich nicht durch das Fenster sehen kann. Kann ja nicht sagen, dass ich hier immer abends meinen Airbus auftanke, wenn es am Flughafen zu voll ist. Krampfhaft suche ich nach einer einigermaßen plausiblen Ausrede, mir fällt aber keine ein.
    Eine Entschuldigung  – undenkbar.
    Die Wahrheit  – für’n Arsch.
    Dann bin ich sie gleich wieder los.
    Plötzlich kommt mir ein abwegiger Gedanke, und meine Verzweiflung ist groß genug, um ihn nicht gleich zu verwerfen. Es ist verrückt, aber die einzige Chance. Eine besondere Situation bedarf einer besonderen Aktion. Was bleibt mir auch anderes übrig. Jeden Moment wird der kleine Franzosentank gefüllt sein und Jana zum Zahlen hereinkommen. Für einen Moment hoffe ich noch, dass sie vielleicht eine der Tankbetrüger ist, von denen wir schon des Öfteren heimgesucht wurden, doch das ist mehr als unwahrscheinlich.
    Stattdessen krieche ich auf allen vieren um das Süßigkeitenregal herum, reiße vier Hanutas und einen kompletten
Pack Bountys zu Boden und merke in diesem Moment, dass auch mal wieder unter dem Regal feucht durchgewischt werden sollte.
    Rolf und Henninger schauen mich aus großen, glasigen Augen an. Sie haben mich schon ab und zu in seltsamen Situationen erlebt. Jedoch noch nie mit panischem Gesichtsausdruck im Vierfüßlerstand hinter dem Regal kauernd.
    Ich muss mich schnell und instinktiv entscheiden und aus rational nicht nachzuvollziehenden Faktoren entscheide ich mich für Henninger. Ich liege also vor ihm und schaue zu ihm hoch. Aus irgendeinem Grund rede ich nur im Flüsterton mit ihm.
    »Du musst mir jetzt einen riesigen Gefallen tun, Henninger.«
    Er sagt nichts, doch aus seinen Augen kann ich ein klar formuliertes »Hää?« lesen.
    »Bitte frag jetzt nicht, warum, aber du musst unbedingt die Kundin, die gleich reinkommt, abkassieren.«
    Statt einer Antwort ernte ich einen eigenartigen Blick, irgendwo zwischen Nullstellung und purer Angst. Ich weiß, dass Henninger nicht gerade die tiefen Teller erfunden hat, dennoch hat er gegenüber Rolf einen klaren Vorteil: Er beherrscht die menschliche Sprache.
    »Du musst nur die Kohle entgegennehmen und vielleicht rausgeben. Du kannst doch rechnen, oder?«
    Noch nie habe ich Henninger sprachlos erlebt. Das mache ich mir zunutze. Ich schlüpfe aus meiner grünen OIL!-Thermoweste und strecke sie ihm entgegen.
    »Hier, nimm.«
    Und tatsächlich. Er streift sie sich über, und ich schiebe ihn an den Waden in Richtung Kasse.
    »Und was ist, wenn sie mit Karte zahlen will?«
    Rolf? Das war Rolfs Stimme. In den letzten sieben Jahren ist dies der erste vollständige Satz mit Subjekt und Prädikat, wenn man mal absieht von: »Gib ma den Schlüssel fürs Klo.« Und ausgerechnet mit diesem ersten Satz stürzt er mich in ein tiefes Tal der Hilflosigkeit.
    Henninger schaut zu mir nach unten und zieht fragend seine Schultern nach oben.
    »Dann sag einfach, das Kartenlesegerät ist kaputt, und schreib dir ihre Nummer auf. Du kannst doch schreiben?«
    In diesem Moment höre ich, wie die Schiebetür auseinandergleitet und die Bühne für eine Show freigibt, die so noch nie unter dem Zapfsäulen-Himmel präsentiert wurde.
    In der Hauptrolle: ein nerviger Alkoholiker mit

Weitere Kostenlose Bücher