Weichei: Roman (German Edition)
vielmehr den überaus eigenwilligen Fischgeschmack noch zu unterstreichen.
Bäh! Bäh! Bäh!
Ich verabschiede mich kurz und suche entschlossen die Toiletten des Restaurants auf. Erst überlege ich noch, ob ich nicht schnell nach Topmodelart durch ein Einfingerhalssolo etwas Raum für mehr Fisch schaffen sollte. Allerdings bin ich unfähig in der Kunst der Selbststimulation meines Würgereizes. Außerdem dürfte der Fisch im erbrochenen Zustand auch keinen deutlich besseren Eindruck an den Geschmacksknospen hinterlassen. Also stelle ich mich vor eines der freien Urinale. In das Becken hat der Restaurantbetreiber ganz deutsch diese blöden Styroporbällchen geklebt, die man durch geschickte Lenkung seines Urinstrahls in ein stilisiert angedeutetes Tor versenken kann. Durch das dünnflüssige Asiabier gedopt gelingt mir zunächst ein furioser Start im Urinbeckenfußball. Nach zwei weiteren Volltreffern und dreimal Latte ist mein Ego so weit wiederhergestellt, dass ich mich zurück in den Schuppentempel wage.
Ich wasche mir die Hände und kehre zurück an den Tisch. Ich weiß, was jetzt kommt. Wenigstens ein gerolltes Fischrisotto muss ich mir wohl noch einverleiben, um nicht unhöflich zu wirken. Doch bevor ich meiner Heuchelei weiter frönen kann, nehme ich etwas ganz anderes wahr.
Kommen doch gerade zwei Personen zur Tür herein, die ich besser kenne, als mir lieb ist.
Steffi und C-Claus.
Obwohl ich mich aalgleich Richtung Stuhl schlängele, hat mich Steffi bereits entdeckt. Es ist das erste Mal nach dem Frühstücksreinfall, dass wir uns wiedersehen. Sie flüstert C-Claus ins Ohr, der daraufhin stehen bleibt. Dann kommt sie mit einem nicht näher zu definierenden Gesichtsausdruck herüber. Na, das kann ja lustig werden. Andererseits ist das vielleicht auch eine Chance, um sie eifersüchtig zu machen.
»Hallo, Robert. Wie geht’s?«
»Danke, gut.« Ich nicke.
»Willst du mich deiner Begleitung nicht vorstellen?«
Gut. Sie hat Jana also als Rivalin ausgemacht.
»Das ist Jana, eine… Freundin. Und das ist Steffi, auch eine… äh Freundin.«
Die beiden Frauen scannen sich mit einem geheuchelten Lächeln nach offensichtlichen Fauxpas in Kleidung und Make-up. Das Ganze hat den Charme einer Begrüßung in der Mitte eines Boxrings.
»Angenehm«, sagt Jana, wischt sich die Hände von etwas Fett ab und reicht sie Steffi. »Sorry, ich bin da etwas einfacher.«
»Ja, das wette ich«, antwortet Steffi spitz und wendet sich wieder mir zu. »Wusste gar nicht, dass du so ein Sushifreund bist.«
»Tja, du weißt so einiges nicht. Manche Dinge ändern sich nun mal.«
Trotz pochendem Herzen bin ich mit meiner Antwort sehr zufrieden. Claus wagt es immer noch nicht herüberzukommen und steht an der Eingangstür wie ein Schuljunge, der von Mama nicht abgeholt wurde.
Steffi lässt ihren Blick ein weiteres Mal über Jana wandern, dann hebt sie das Kinn und dreht sich zum Gehen.
»Na dann, einen schönen Abend noch.«
»Wünsch ich euch auch.«
Als sie mit Claus einen Platz eingenommen hat, merke ich, dass ich ihr hinterhergestarrt habe. Und was noch viel peinlicher ist: Auch Jana bleibt das nicht verborgen.
»Exfreundin, oder?«
»Ja.«
»Und?«
»Was und?«
»Noch Gefühle?«
Ich zucke mit den Schultern, als wäre mir das ziemlich egal.
Jana atmet nur einmal tief durch und widmet sich ohne weiteren Kommentar ihrem Sushi.
»Na dann, greif jetzt mal richtig zu. Du bist heute von mir eingeladen.«
Ich bin ihr dankbar dafür, dass sie keine weitere Erklärung von mir verlangt.
»Ach wirklich? Womit habe ich das verdient?«
»Einfach so. Die meisten Männer, die ich kenne, mögen kein Sushi. Du bist einfach anders. Das finde ich toll.«
»Ja, so bin ich nun mal…«, antworte ich und hasse mich dafür, sie damit erneut anzulügen.
Mein Blick wandert desillusioniert zurück zu dem Laufband, das unaufhörlich neuen Rohfisch ankarrt. Durch den Auftritt von Steffi ist mir noch übler als zuvor. Mir ist so flau im Magen, dass ich sehnsüchtig auf einen Kugelfisch warte. Vielleicht hat der Koch ja heimlich einen zubereitet und einen schlechten Tag gehabt und setzt meinem Leiden durch sein Ungeschick ein Ende. Über den Rand meines Bierglases sehe ich, wie Steffi immer wieder zu mir herüberschaut.
Dann greife ich zu einem weiteren gut gefüllten Sushischiffchen und schließe todesmutig die Augen.
24
Im Hotelbett
M ein Schlafrhythmus hat eine seltsame Eigendynamik entwickelt. Kann aber auch an dem Karussell
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