Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
clever, und du hast doch sonst immer die tollsten Ideen, ihr macht das schon! Und nun ruf mich bitte nicht mehr an, sonst schaffe ich meine Arbeit nicht und komme viel später nach Hause.» — «Ja, Mami», sagte sie kleinlaut.
Jetzt die mobilen Bewohner auskleiden, ins Bett bringen, Zahnprothesen einsammeln, zur Klingel laufen, Becken schieben, Tränen trocknen, Vergessene trösten...
Plötzlich steht die Nachtwache in der Tür: «Sagen Sie mal, was machen Sie denn noch hier? Sie haben doch Kinder, die auf Sie warten. Nun aber ab nach Hause, den Rest erledige ich!» — «Oh, fein, danke! Und fröhliche Weihnachten!» rief ich, schnappte Mantel und Tasche und rannte hinaus zu meinem Auto. Zuerst mußte ich eine dicke Schneedecke abfegen, danach das Eis von den Scheiben kratzen und das Türschloß war eingefroren... mir blieb auch nichts erspart heute!
Verschwitzt, mit brennenden Füßen und schmerzendem Rücken saß ich endlich im Wagen und fuhr Richtung Heimat. Die Landstraße war wie leergefegt, die Dörfer lagen weißverpackt und still da. Nur durch die Fenster schimmerte gemütlicher Kerzenschein. Eine ungeheure Sehnsucht nach Ruhe und Wärme überfiel mich. Ich fuhr schneller.
Ununterbrochen trieben dicke Schneeflocken auf die Frontscheibe zu, meine Augen brannten, meine Nerven versagten...
Und dann: in der nächsten Kurve: ein Holpern — ein Schlurfen — und — aus! Ich saß im Graben! Mir war alles gleichgültig. Ich konnte nicht mehr! Erschöpft, ergeben ließ ich den Kopf vornübersinken.
Erst, als die Kälte an mir hochkroch, wurde ich wieder aktiv, und mir fielen meine armen Kinder ein: Wie würde es ihnen wohl ergehen? Sie hatten nicht wieder angerufen! Was mochte wohl zu Hause los sein? Chaos und Tränen? Egal, was ich vorfinden würde, ich würde irgend etwas zaubern, um das Fest zu retten, und den Humor wollte ich nicht verlieren!
Mit Schaukeltechnik kam ich aus dem Graben heraus und fuhr, neu motiviert, weiter. Nach zwanzig Kilometern endlich das Ortsschild: «Schafflund» — Doch was war das? Mir wurde beklommen zumute. Unser Haus lag im Dunkeln! Meine Gedanken überschlugen sich: Bestimmt hatten die Kinder in ihrer Not bei den Großeltern angerufen und sie hatten «die armen Kinder» zu sich geholt.
«Oh, nein, bitte das nicht! Ich wollte es doch alleine schaffen!» Tränenblind stolperte ich zur Haustür, stocherte mit dem Schlüssel im Schloß herum, als die Tür auch schon nachgab. Nicht einmal abgeschlossen... «Guten Abend, gnädige Frau», sagte die Stimme meines Sohnes aus dem Dunkel heraus. «Treten Sie ein!» — «Oh, wie geht es denn?» fragte ich vorsichtig. «Guhut, wir sind fertig.» Am Treppengeländer lehnte lässig meine Tochter, sie knipste das Licht an und befahl: «Marsch, ins Bad mit dir, in zehn Minuten wird gegessen!»
Mein grünes Seidenkleid, frische Wäsche und Schuhe hatte sie bereitgelegt, und ich tauchte ein in knallblaues Badewasser.
Wie gut nur, daß meine Zeit begrenzt war, meine Freudentränen hätten sonst wohl die Wanne zum Überlaufen gebracht.
Als ich ins Wohnzimmer trat, prangte dort auf dem Tisch die knusprige Gans, der Rotkohl und die Kartoffeln dampften in den Schüsseln, und der Tisch war so festlich gedeckt — es fehlte einfach nichts!
Was für tüchtige Kinder ich doch hatte! Kann sich eine Mutter etwas Schöneres wünschen?
Doch meine Tochter zerrte mich an der Hand zum Tannenbaum: «Mami», fragte sie, «ist der Baum gut genug geschmückt? Und... riechst du was?»
«Der Baum», sagte ich, «ist so schön wie immer. Ich sehe keinen Unterschied... oder doch?...» Ich schnupperte... «Ja!... Ja!... Hmmm... Er ist viel besser!»... Ich schnupperte wieder und wieder... «riecht so nach Schafen... oder...nach Kühen??... Ein wenig nach Weihrauch... ein wenig nach Myrrhen... und...»
«O ja, o ja», rief meine Tochter, «genau, wie in Bethlehems Stall!»
P. S. Was ich noch sagen wollte — aber das dürfen die Kinder nie erfahren: Es stank bestialisch durcheinander nach Rotkohl — 4711 — Gänsebraten — Kuhstall und Fichtennadelduft!
Marika Bronisch
«Und auf einmal war ein Leuchten»
Weihnachten naht. Der Blick in meinen Lehrerkalender zeigt es. Die abgehakten Tage, das Blättern voraus. So bald schon wieder! In zwei Wochen der 1. Advent. Zeit also schon mal zu überlegen, welches Stück spielen wir diesmal? «Der Weg zur Krippe»? Nein, hatten wir letztes Jahr. «Am Weihnachtstag»? Ja, das könnte was werden. Mit Orffschen
Weitere Kostenlose Bücher