Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
allein.
Weihnachten stand inzwischen vor der Tür und wir waren unsagbar traurig.
Unsere Nachbarn, die einen dreijährigen Sohn hatten, luden uns zum Heiligabend ein. Der Weihnachtsmann wollte kommen und wir sollten die Freude des Kindes darüber miterleben.
Meine Mutter schickte mich schon vor, sie selbst mochte nicht mitgehen.
Wir warteten auf das Klopfen des Weihnachtsmannes. Die Tür ging auf, und es war meine Mutter, die hereinkam. Sie sagte zu mir: «Geh mal rüber, drüben ist der Weihnachtsmann.»
Erstaunt darüber tat ich es, und wer stand dort in unserer Stube?
Es war mein Mann, der aus der Gefangenschaft entlassen worden war und auf abenteuerliche Weise den Weg zu uns geschafft hatte — genau zum Heiligabend.
Thea Kähler-Karger
Genau, wie in Bethlehems Stall
Es war das erste Weihnachtsfest, das ich mit meinen Kindern allein feiern würde. Damit ihnen der Verlust ihres Vaters nicht allzu schwer wurde, sonst hatte er alle Jahre zusammen mit den Kindern den Heiligabend gemeistert, während ich Dienst in einem Pflegeheim tat, hatte ich rechtzeitig vorgesorgt: Die Geschenke waren verpackt, die Lebensmittel im Haus, der Tannenbaum stand abholbereit bei Opa. Es fehlte nichts, es konnte nichts schiefgehen, «Planung ist alles», sagte ich mir, und stand am Heiligen «Morgen» schon um vier Uhr in der Küche. Der Rotkohl war geschmort, die Gans gefüllt, die Cremespeise geschlagen, der Tannenbaumschmuck und die Geschenke lagen bereit, alles war mit Spickzetteln versehen, darauf stand, wer, was, wie und wann erledigen sollte. Die Kinder hatten am Abend zuvor ihre Instruktionen erhalten, und so fuhr ich schon bald frohgelaunt durch die weiße, friedliche Winterlandschaft zu meiner Arbeitsstelle, im Kopf schon planend, wie dieser Tag, mit all den zusätzlichen Arbeiten, wohl am besten zu bewältigen sei: Zwanzig Bunte Teller müssen gefüllt, der Tannenbaum geschmückt, Reisetaschen gepackt und zwanzig Heimbewohner «fein angezogen» werden. Das kostet allergrößte Geduld, denn sie sind immer sehr aufgeregt, haben Angst, zu spät zur Feier zu kommen. Das Fest im Saal war in vollem Gange: Flitzen, wetzen, Kaffee einschenken, Torte schneiden, Kekse reichen, Singen und Posaunenblasen, Pastor spricht. Und dann: «Schwester Thea, Telefon!» Ich renne auf die Station. Verzagt drang die Stimme meiner Tochter an mein Ohr: «Mami, Matthias ist noch nicht mit dem Tannenbaum von Opa zurück, wie soll ich es denn bloß noch schaffen, ihn zu schmücken?» — «Ruf bei Opa an, er soll ihn sofort nach Hause schicken. Geht es dir sonst gut, mein Schatz?»
«Ja, ich sortiere den Schmuck schon mal.»
Ich eilte zurück in den Saal: Geschirr abräumen, Kuchen raus, Gläser auf den Tisch, flitzen, wetzen, Punsch einschenken, Knabbersachen ausgeteilt, Singen und Posaunenblasen, Heimleiter spricht.
Und dann wieder: «Schwester Thea, Telefon!» Ich renne auf die Station. Verzweifelt klagt die Stimme meiner Tochter: «Mami, Matthias kriegt den Tannenbaum nicht in den Fuß gesetzt, er springt draußen herum, wie Rumpelstilzchen!» — «Dann hilf ihm, beruhige ihn, halt den Baum fest - ist die Gans schon im Backofen?» ... «Uhuuuuuuu» heulte sie los, und ihre Stimme überschlug sich, als sie ihren Bruder anschrie: «Siehst du, Matthias, siebzehn Uhr steht auf dem Zettel!» — «Das ist doch nicht so schlimm», beruhigte ich sie. «Wir essen dann eben etwas später, wir haben die ganze Nacht noch Zeit. Wir nehmen alles so, wie es kommt!» Zurück in den Saal: Die Bescherung hatte angefangen... Und danach die Bewohner auf die Stationen fahren, die Treppen hochtragen, sie auskleiden, zu Bett bringen, Medikamente stellen, Spritzen geben, Durchbetten, Abendbrot verabreichen und wieder: «Schwester Thea, Telefon!» — «Mami», jammerte meine Tochter, «der Baum steht ganz schief, so kann ich ihn nicht schmücken; und außerdem stinkt das ganze Wohnzimmer nach Kuhstall! Stell dir vor, weil der Baum voller Eiszapfen war, hat Omi ihn über Nacht in den Kuhstall zum Abtauen gestellt!» — «Susimaus, nimm das Bild von der Wand und an diesen Haken bindet ihr mit einer Schnur den Baum fest, und gegen den Gestank nimmst du 4711, und Raumspray muß auch noch irgendwo sein! Ist sonst alles klar?»
«Matthias sitzt vor dem Backofen, er liest, die Gans brutzelt — Matthias!» keifte sie zur Küche hinaus. «Du sollst den Baum festbinden. Wir werden bestimmt kein schönes Weihnachten haben!» heulte sie. «Muschilein, ihr seid doch so
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