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Weihnachtskatze gesucht

Titel: Weihnachtskatze gesucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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»Ich bin hier, um etwas zu essen. Ines wird mir einen anderen Tisch richten.«
    |77| »Bleiben Sie sitzen, Salbeipflänzchen. Sie riechen gut und sind hübsch anzusehen.«
    »Himmel, was sind Sie charmant!«
    Salvia setzte sich wieder und betrachtete ihn. Inzwischen hatte sie herausgefunden, dass er dreiundvierzig war, und hier in dem freundlichen Lampenlicht wirkte er auch nicht mehr ganz so verwittert. Mona kam zu ihnen, legte die Speisekarten auf den Tisch und wechselte ein paar freundliche Worte mit ihnen, blieb aber die professionelle Gastwirtin. Bis auf ein kleines Blinzeln in Salvias Richtung hinter Steves Rücken.
    »Ist Ihre Ausstellung eigentlich ein Erfolg?«, wollte Salvia wissen, als sie bestellt hatten. Es schien ihr sinnvoll, das Gespräch auf neutralere Bahnen zu lenken.
    »Was ist schon ein Erfolg?«
    »Na, lobende Erwähnung in der Presse, zahlreiche verkaufte Bilder, Anfragen und Aufträge für weitere Arbeiten?«
    »Wollen Sie meinen Marktwert abschätzen?«
    Er reizte sie ungeheuerlich, dieser gallige Bitterling. Darum konnte sie sich nicht zurückhalten zu antworten: »Sollte ich das nicht, bevor ich erwäge, Ihnen einen Heiratsantrag zu machen.«
    Immerhin hatte sie das Vergnügen, ihn den Mund öffnen und hilflos wieder schließen zu sehen. Dann schüttelte er den Kopf und griff nach der Mappe, die neben ihm auf dem Stuhl gelegen hatte.
    »Was halten Sie davon?«
    Salvia schlug den Deckel auf und betrachtete die Fotos. |78| Sie mussten neueren Datums sein. Die alten Kreuze und Stelen waren von Raureif überzogen, an trockenem Geäst und dürren Gräsern glitzerten Eiskristalle, ein Hauch von Schnee lag über den Nadeln der düsteren Eiben, ein paar rote Beeren hingen wie Blutstropfen von einem Zweig.
    »Die Katzen scheinen sich verkrochen zu haben«, murmelte sie, aber er blätterte ein Bild weiter. Eine Pfotenspur im Schnee umrundete einen Grabstein in Form eines aufgeschlagenen Buches. Dann das Bild von drei schwarz gewandeten Frauen, die wie hungrige Raben nebeneinander an einem Mausoleum standen. Zu ihren Füßen ein halbes Dutzend Katzen.
    »Sie werden dort gefüttert?«
    »Ja, einige Frauen kommen jeden Tag und streuen Trockenfutter aus.«
    Ines brachte ihnen ihre Getränke, und Salvia blätterte weiter durch die Winterbilder. Sie zeugten wiederum für einen unglaublichen Sinn für Details, für Geduld und Liebe zum Objekt. Sie erzählten Geschichten, jedes einzelne Foto wusste etwas zu berichten.
    »Machen Sie was draus, Steve. Ich habe keine Ahnung, was, aber die Aufnahmen berühren etwas.«
    »Nanu, gar keine stachelige Bemerkung?«
    »Nein, warum sollte ich die machen.« Sie lächelte ihn freundlich an. »Salbei gehört nicht zu den dornigen Gewächsen.« Noch einmal besah sie sich die Bilder. Sie verrieten ihr, dass auch er unter seiner Galligkeit menschliche Wärme verbarg. Und als ihr Blick auf das Foto jener |79| braunen Katze fiel, das Mona zwischen den Fenster aufgehängt hatte, überwand sie sich zu fragen: »War diese Kleine auch noch da?«
    »Die Katze, die aussieht wie Ihre SueSue? Nein, sie habe ich nicht gesehen.«
    »Na ja, es wäre auch ein Zufall gewesen.«
    »Ich habe noch etwas für Sie, Salvia. Hier, bitte.«
    Steve reichte ihr einen braunen Umschlag, und als sie das Foto herauszog, musste sie auflachen.
    »Das ist ja herrlich. Ich wusste doch, dass Katzen hochintelligente Tiere sind.«
    Es musste Herbst sein, die Blätter färbten sich schon bunt. Die braune Katze saß wie in lesender Haltung vor dem Grabmal in Form eines steinernen Buches. Mit der Pfote schien sie eine Seite umblättern zu wollen. Eine Jungkatze schaute ihr dabei neugierig über die Schulter.
    »Ist es Ihre SueSue?«, fragte Steve.
    »SueSue ist tot.«
    Steve gab einen unwilligen Grummellaut von sich, erklärte dann aber: »Das Foto habe ich im Oktober gemacht. Es war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe.«
    Salvia wollte nicht über SueSue sprechen, aber die Katzen dort auf dem Friedhof hatten ihr Interesse geweckt. Es war ein harmloses Thema, entschied sie und bat: »Erzählen Sie mir von dem Rudel, das dort lebt, Steve. Sie haben viel Zeit mit ihnen verbracht, habe ich den Eindruck. Solche Aufnahmen zeugen von einem tiefen Verständnis für die Tiere.«
    Das Hühnchen wurde ihnen serviert, und offensichtlich |80| stimmte der Duft des Essens ihr Gegenüber friedfertig.
    »Ich habe viel von ihnen erfahren, während ich sie beobachtete. Es überraschte mich, in welch geordneter Gemeinschaft

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