Weihnachtszauber 02
Zehen schienen sich in Eis zu verwandeln, sogar ihre Nase. Doch es waren nicht die winterlichen Temperaturen, die ihr einen Schauer durch den Leib jagten.
„Frieren Sie?“, fragte er und strich über ihr Handgelenk.
Die Hitze seiner Finger drohte ihre Haut zu verbrennen. Nun rückte er noch näher zu ihr, bis ihre Körper einander berührten.
„Mr Black!“, rief Francesca entrüstet und wich zurück.
„Bitte, Miss Linden“, erwiderte er in sanftem, geduldigem Ton, als würde er mit einem unvernünftigen Kind reden, „ich teile nur meine Wärme mit Ihnen. Sonst nichts.“
Wie sie zugeben musste, fühlte er sich wunderbar warm an. Trotzdem ... „Das schickt sich nicht“, murmelte sie. Dann erkannte sie, wie absurd ihr Protest klang.
Halb nackt lag sie neben einem fremden Mann an Bord eines Schmugglerboots –
noch dazu mitten in der Nacht. Gab es da noch irgendetwas, das die Gesetze von Sitte und Anstand nicht verletzte?
Offenbar las er ihre Gedanken, denn er lachte leise. „Warum nicht?“
Sie starrte ihn an, als zweifelte sie an seinem Verstand. „Weil ich eine unverheiratete Dame bin. Und Sie sind ...“
„Ja?“, fragte er erwartungsvoll.
„Ein Fremder, ein Schmuggler und ein Mann, um Himmels willen!“ Nur ihr dünnes Hemd trennte ihre nackte Haut von seiner, ihr Unterarm bildete die einzige Barriere.
Doch sie sprach diese Bedenken nicht aus.
Statt zu antworten, grinste er nur.
„Und ich kenne Sie nicht einmal!“
„Ich heiße Jack und bin sechsundzwanzig Jahre alt. Jetzt kennen Sie mich.“
„Oh, Sie sind unverbesserlich.“
Sein Lächeln vertiefte sich. „Das hat man mir schon oft erklärt.“
Den Kopf schief gelegt, schaute sie ihn an. „Trotzdem sind Sie immer noch ein Fremder.“
„Wenn ich auch nicht aus Lannacombe stamme – ich wurde in Devon geboren.“
„Und Sie arbeiten mit der Buckley-Bande zusammen?“, fragte sie erstaunt.
„Ja.“
Nun schwieg sie eine Zeit lang. Obwohl er ein gefährlicher Verbrecher war, lag sie halb bekleidet an seiner Seite und unterhielt sich mit ihm. Wenn ihre Mutter das wüsste, würde sie in Panik geraten. Aber was Francesca in seinen Augen las, erweckte den Eindruck, er wäre ein ganz anderer Mann. Gegen jeden Sinn und Verstand traute sie ihm – diesem Fremden, diesem Schmuggler.
„Genügt Ihnen das nicht?“
Immer noch wortlos, hielt sie seinem Blick stand.
Bevor er weitersprach, verstrich eine volle Minute. „Ich bin der schlimmste Sohn, den ein Vater nur kriegen kann“, wiederholte er Whites Einschätzung. „Meiner Familie habe ich Schande gemacht, meinem Vater unselige Flüche und meiner Mutter zu viele Tränen entlockt. Und meine Brüder verwünschen den Tag, an dem ich das Licht der Welt erblickte. Ich bin ein Schürzenjäger, ein Trunkenbold und Spieler. Die Bedeutung des Wortes ‚Ehre‘ kenne ich nicht. Und wenn das nicht reicht
– ich war verdammt nahe daran, einen meiner Brüder zu töten. Kurz gesagt, Miss Linden, ich bin das sprichwörtliche schwärzeste aller Schafe. Mehr gibt es nicht über mich zu sagen. Habe ich Sie in Angst und Schrecken versetzt?“
Trotz seiner leichtfertigen Sprechweise sah sie ein sonderbares Flackern in seinen Augen. Langsam schüttelte sie den Kopf.
„Nicht einmal, nachdem ich so bereitwillig zugegeben habe, wie abgrundtief böse ich bin?“
„Ich glaube Ihnen nicht, Sir.“
Verwundert hob er eine Braue. „Und warum nicht? Lassen Sie sich versichern, das alles ist die reine Wahrheit.“
„So sehr ich Ihre Methoden auch missbillige – ich bezweifle nicht, dass Sie Tom und mich retten wollen.“
Was sein Blick ihr in diesem Moment verriet, nahm ihr sekundenlang den Atem –
Schmerz und tiefste Qual. Da vergaß sie ihren Entschluss, ruhig und stark und gefasst zu bleiben. Die Vorspiegelungen falscher Tatsachen schwanden dahin, beide ließen ihre Masken fallen. Plötzlich fühlten sie sich verbunden, in wechselseitigem Verständnis.
„Eine einzige ehrenwerte Tat kann die Vergebung aller Sünden bewirken“, sagte Francesca leise.
Noch immer tauchten ihre Blicke ineinander.
„Das hoffe ich“, flüsterte er. Dann schaute er weg, und der bedeutsame Moment verflog – verdrängt von kaum verhohlener Verblüffung und Verlegenheit. „Reden wir über etwas anderes“, verlangte er in mürrischem Ton.
„Welches Thema schlagen Sie vor, Sir?“
„Politik, Religion, Theaterstücke – das ist mir egal, Miss Linden.“ Nun kehrte die lässige Arroganz zurück, die er bei
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