Weihnachtszauber 02
Lydia davonrannte. Einige Minuten später kehrten die beiden mit Papierpäckchen voller heißer Kastanien zurück, die ihnen fast die Finger verbrannten.
Grinsend ging Tom zu seinen Schwestern. An seiner Schulter hing ein Sack mit einem großen Truthahn. „Glaubt ihr, der Vogel reicht für uns alle?“
Sophy und Lydia quietschten entzückt, und Francesca nickte zufrieden.
„Da hinten habe ich einen Stand gesehen, wo’s Glühwein gibt.“ Tom zeigte in die Richtung, aus der er gekommen war.
Während sie sich durch das Gedränge kämpften, rochen sie den Glühweinstand, noch bevor sie ihn erblickten, denn das würzige Aroma, das in der Luft hing, war unverwechselbar. Francesca holte noch ein paar Münzen aus dem Beutel und kaufte für sie alle warmen Rotwein. Dann standen sie beisammen, nippten an Tassen und versuchten sich die Lippen nicht zu verbrennen. Genüsslich würdigten die den Geschmack von Nelken, Zimt und Orangenschalen.
Nach einer Weile entfernten sich Tom, Sophy und Lydia, um einen Gaukler zu beobachten. Auf dem Tisch seiner Bude standen drei umgestülpte Holzbecher, und einige Leute wetteten darauf, unter welchem sich eine Nuss verbarg.
Francesca rückte den Einkaufskorb an ihrer Hüfte zurecht und vergewisserte sich, dass der Geldbeutel wieder in der Tasche ihrer Pelisse steckte. Als sie ihren Geschwistern folgen wollte, wurde sie von einem seltsamen Gefühl bewogen, nach rechts zu schauen, wo sich eine Lücke in der Menschenmenge geöffnet hatte. Und da stockte ihr der Atem, ihr Herz begann zu rasen.
Auf der anderen Straßenseite stand Jack Holberton und erwiderte ihren Blick.
4. KAPITEL
Mehrere Leute gingen vorbei und versperrten Francesca die Sicht. Danach konnte sie wieder hinüberschauen. Ein rundlicher kleiner Mann und seine Ehefrau nahmen den Platz ein, wo Lord Holberton gestanden hatte.
Verwirrt spähte Francesca in alle Richtungen. Doch der Gentleman, den sie gesehen
– oder zu sehen geglaubt hatte, war verschwunden. Sie blinzelte ein paar Mal. Mit behandschuhten Fingern berührte sie ihre Stirn und fürchtete plötzlich, die Nacht auf der „Swift“ hätte ihrem Verstand geschadet. War deshalb Lord Holbertons Bild aufgetaucht? Obwohl er sich gar nicht in ihrer Nähe befand?
„Fühlst du dich nicht gut, Fran? Wie blass du bist – als wärst du einem Geist begegnet.“ Lydia ergriff ihren Arm und musterte sie besorgt.
„Alles in Ordnung, es geht mir gut“, versicherte Francesca. „Ich habe nur meinen Korb zurechtgerückt.“
„Aber du zitterst.“
„Weil ich friere ...“ Francesca zwang sich zu lächeln. „Und es ist schon so spät.
Machen wir uns auf den Heimweg, bevor es dunkel wird.“
„Es ist erst zwei Uhr nachmittags!“, protestierte Lydia.
„Und um vier bricht die Dämmerung herein.“
„Also gut ...“ Lydia lachte. „Stell dir vor, Tom hat viermal auf den falschen Becher gezeigt und sein Geld verloren. Sophy und ich hatten genauso viel Pech. Was für ein raffinierter Taschenspieler! Ständig ließ er die Nuss verschwinden.“
„Dann sollten wir Tom und Sophy holen, bevor sie ihr ganzes Geld verwetten.“
Francesca hängte sich bei ihrer Schwester ein, und sie drängten sich durch die Menschenmenge zur Bude.
Beinahe hatten sie den Tisch erreicht, auf dem drei umgestülpte Holzbecher standen, da sagte Lydia: „Oh, Tom spricht mit jemandem. Mit einem Gentleman.“
Francesca hielt abrupt inne. Tatsächlich – Lord Holberton stand neben ihrem Bruder.
Ihre Blicke trafen sich, und sie vergaß zu atmen.
Jetzt drehte Tom sich um und entdeckte Francesca. Leicht verlegen runzelte er die Stirn. „Darf ich Ihnen meine Schwestern vorstellen, Mylord?“
Francesca wollte nicht hinschauen. Nur einen einzigen Gedanken konnte sie fassen –
Jack Holberton, der neben ihr lag, die Liebkosungen seiner Hände, die Hitze seiner Küsse ... Viel zu schnell klopfte ihr Herz. Plötzlich wurde ihr ganz warm, und sie spürte, wie ihre Beine bebten.
Neugierig starrten ihre Schwestern den Gentleman an.
Am liebsten wäre sie davongelaufen. Aber sie bekämpfte den albernen Impuls.
Tom räusperte sich. „Miss Francesca Linden, Miss Lydia, Miss Sophy. Anne ist daheim bei unserer Mutter geblieben.“
Höflich zog Jack Holberton seinen Hut und verneigte sich vor der ältesten Schwester.
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Linden“, sagte er, als wären sie einander fremd und würden sich zum ersten Mal treffen.
Ihre Wangen röteten sich brennend. „Ganz
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