Weihnachtszauber 02
die Kleider vom Leib zu reißen, obwohl er sich danach sehnte.
„Wenn du es wünschst, bleibt es ein Traum“, sagte er.
Marys Lächeln wurde breiter. Sie griff ihn mit beiden Händen an seinem zerknitterten Hemd und zog ihn für einen weiteren Kuss an sich. „Nein, ich möchte keinen einzigen Moment vergessen.“ Gleich, was der Morgen auch bringen würde, diese Erinnerung wollte sie bewahren. Sie musste sie bewahren.
Mit dem Finger fuhr er über ihre weichen geöffneten Lippen, und sie hauchte einen Kuss darauf. „Ich glaube, es hat aufgehört zu regen“, sagte er rau.
Sie legte den Kopf zur Seite und lauschte in die Stille. „Ja, das ist wohl wahr.“
Widerwillig löste sich Dominick von ihr, stand auf und griff nach seinen Kleidern.
„Wir sollten aufbrechen, solange das Wetter noch klar ist. Ich würde das Haus meiner Tante gerne heute noch erreichen. Vielleicht hat sie etwas von Arthur und deiner Schwester gehört.“
„Oh, ja. Ginny.“ Mary klang leicht erschrocken.
Hatte auch sie – so wie er – im gestrigen Sturm den Zweck ihrer Reise vergessen?
Das war ein weiteres Zeichen dafür, dass sie nicht zusammen sein sollten – sie ließen alle Vernunft fahren, wenn sie sich bloß berührten.
„Hoffentlich haben die beiden einen Unterschlupf gefunden“, sagte sie.
„Ich weiß, es hat nicht den Anschein, dennoch ist mein Cousin im Grunde ein vernünftiger Mann. Er wird nicht zulassen, dass deiner Schwester ein Leid geschieht.“
Mary griff nach ihren Stiefeletten und zog sie über die Füße. „Ich weiß. Er gehört schließlich dem Militär an. Ich meine nur ...“ Ihre Worte verloren sich, und sie verfiel in Schweigen.
Dominick wusste, wie ihr zumute war. Was gab es auch zu sagen? Wie konnten sie die Vergangenheit ausradieren, damit alles wieder so wurde, wie es sein sollte?
Sie hatte Mühe, die steifen Lederschuhe zu schließen, und ein verärgerter Ausruf entfuhr ihr.
„Ich helfe dir“, sagte Dominick. Er kniete sich neben sie und nahm ihren Fuß auf seinen Schoß.
Mary sah ernst zu, wie er die Schnallen schloss. „Erst bürstest du mir das Haar, nun kümmerst du dich auch noch um meine Schuhe. Du weißt, was eine Dame braucht.“
Er schenkte ihr unwillkürlich ein verführerisches Lächeln. „Ah, nun, ich gebe mir Mühe zu gefallen, Mylady.“
„Und du bist sehr gut darin.“
Er schloss auch die Schnallen der anderen Stiefelette, doch es fiel ihm schwer, sie danach loszulassen. Sanft strich er über ihren Knöchel und über den vom Wasser fleckigen weißen Strumpf, der die weichen Kurven ihrer Wade bedeckte. Sie atmete tief ein und wurde ganz still. Dominick beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf das Bein.
Kurz strich sie über seinen Kopf, eine Berührung so flüchtig wie das Flattern eines Schmetterlingsflügels. Gleich darauf nahm sie die Hand fort, und er hob ihren Fuß von seinem Schoß.
„Wir sollten aufbrechen“, sagte sie, „damit wir vor Einbruch der Nacht das Haus deiner Tante erreichen.“
7. KAPITEL
Rose Cottage . Mary schaute an dem hübschen Schild an der makellosen Steinmauer vorbei zu dem von grauen Nebelschwaden halb verdeckten Haus am Ende der baumbestandenen Allee. Es sah nicht aus wie ein Cottage, eher wie ein Herrenhaus aus Backstein. Rosen gab es natürlich zu dieser Jahreszeit nirgendwo zu sehen. Das Gebäude wirkte ruhig, respektabel, schmucklos. Nie zuvor war sie erfreuter gewesen, ein Haus zu erblicken.
Der Tag war anstrengend gewesen. Schweigsam hatten sie nebeneinandergesessen und nur wenige höfliche Bemerkungen wie „Ist dir kalt?“ und „Mir geht es gut, danke“ ausgetauscht. Vor Enttäuschung hätte Mary am liebsten laut aufgeschrien.
Fast war es, als ob die leidenschaftliche Nacht, die sie miteinander verbracht hatten, in Wahrheit nur ein Traum gewesen wäre. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte, und auch nicht, welche Bedeutung der vergangene Abend für ihn hatte. Sie wusste aber, dass sie sich, ausgelöst durch die Flammen der Leidenschaft und die Tränen danach, tief in ihrem Inneren verändert hatte. Der Teil von ihr, den sie nach ihrer Heirat mit William tief in sich verborgen hielt, ja sogar unterdrückte, bis er kaum noch zu spüren war, drängte mit aller Macht zurück an die Oberfläche. Das Feuer, das in ihr erwacht war, züngelte, wenngleich noch schwach und behutsam, empor und schmolz die Mauer aus Eis, die für solch lange Zeit ihr Herz umschlossen hatte.
Dominick schien dieses Feuer jedoch nicht zu
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