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Weil du mich siehst

Weil du mich siehst

Titel: Weil du mich siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Inusa
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sie aufgestanden und hatten stolz ihren ersten Schritt gewagt – gemeinsam.
     
    Am Abend gingen sie spazieren. Im Licht der Abendsonne schlenderten sie Hand in Hand durch ihren Park.
     
    »Finn. Ich kann die Sonne auf meinem Gesicht spüren. Kannst du sie mir beschreiben?«
     
    Sie setzen sich und Finn beschrieb: SIE GEHT GERADE UNTER UND TAUCHT DIE WELT IN DIE UNGLAUBLICHSTEN FARBEN EIN. DA IST EIN HELLES ROT, DAS IN EIN DUNKLES ÜBERGEHT, EIN TIEFES ORANGE UND ROSATÖNE ALLER ART. GANZ HINTEN AM HORIZONT IST AUCH LILA UND DUNKELBLAU.
     
    »Sieht es schön aus?«
     
    WUNDERSCHÖN. UND DU SIEHST IM LICHT DER UNTERGEHENDEN SONNE SCHÖNER AUS ALS ALLES, WAS ICH JE GESEHEN HAB.
     
    »Ach, Finn, ich wünschte, ich könnte es sehen. Aber durch deine Augen kann ich es wenigstens ein bisschen sehen, zumindest kann ich es mir sehr gut vorstellen.«
     
    MEINE AUGEN SIND AUCH DEINE AUGEN. ICH WERDE VON NUN AN FÜR UNS BEIDE SEHEN, SO WIE DU FÜR UNS BEIDE SPRICHST.
     
    Paula küsste Finn, mit allem, was in ihr steckte.
     
    In dieser Nacht, in der sie Finns Geburtstag ausklingen ließen, liebten sie einander inniger denn je.
     
    PAULA, ICH LIEBE DICH.
     
    Paula antwortete nichts, sie gab Finn nur einen Kuss auf die Wange.
     
    LIEBST DU MICH DENN NICHT?, fragte er. Er musste es endlich wissen. Er wollte sie nicht bedrängen, aber dieses Nichtwissen brachte ihn noch um den Verstand.
     
    »Ich werde es dir erst sagen, wenn du es mir auch sagst«, war Paulas Antwort. Sie hoffte, dass er seine Dämonen somit endlich überwinden würde.

Rückschläge
     
     
    Am Dienstag kam Dennis nicht zur Gruppentherapie. Das war nichts Außergewöhnliches, er war schon öfter mal nicht da gewesen, weil er krank war oder betrunken. Einmal hatte er eine Nacht in der Zelle verbracht, weil er seine Aggressivität an irgendeinem armen Würstchen ausgelassen hatte, das gerade seinen Weg kreuzte. Was aber nicht normal war, war, dass er nicht abgesagt hatte. Sogar aus dem Gefängnis aus hatte er damals Johannes angerufen, dieses Mal hatte weder Johannes noch sonst einer von ihnen etwas von Dennis gehört.
     
    Sie alle machten sich Sorgen.
     
    Am Freitag war Dennis noch immer nicht da, dafür aber ein eigenartiger Ausdruck auf Johannes` Gesicht. Es schien, als würde er mit den Tränen kämpfen, und da wussten sie alle Bescheid.
     
    »Er hat es nicht geschafft, oder?«, fragte Melanie, Trauer und ein wenig ungewollten Neid in ihrer Stimme.
     
    Johannes schüttelte den Kopf, tief erschüttert. »Er hat das Leben nicht mehr gemeistert.«
     
    »All seine guten Vorsätze«, sagte Ayla. »Er hat auf mich so stark gewirkt.«
     
    »Wir sehen nur das, was wir sehen wollen«, meldete sich nun Paula zu Wort. »Wenn wir ehrlich sind, hat keiner hier eine Ahnung, wie es in den anderen wirklich aussieht.«
     
    Johannes sah sich seine Schützlinge im Kreis an, einen nach dem anderen, bis er einmal rum war. »Ihr wisst, dass ihr alle jederzeit zu mir kommen könnt, oder? Tag und Nacht. Ich bin da, wenn ihr reden wollt und auch sonst, egal, was ist.«
     
    »Das wissen wir«, sagte Connie. Finn und Ayla nickten.
     
    »Dennis wusste es auch«, sagte Paula. »Er wollte deine Hilfe nur nicht in Anspruch nehmen. Er wollte nicht mehr leben ...«
     
    »Wie ist er …?«, fragte Sascha.
     
    Johannes holte tief Luft. »Er hat sich vor einen Bus geschmissen, wollte auf dieselbe Art sterben wie seine Jenni.«
     
    Es herrschte eine Minute Ruhe. Eine Schweigeminute für einen von ihnen, für einen, der von ihnen gegangen war und sie alle zurückgelassen hatte in ihrem Kummer.
     
    »Jetzt ist er wieder bei seiner Jenni«, sagte Connie überzeugt. »Jetzt kann er endlich wieder glücklich sein.«
     
    ♥
     
    »Glaubst du an das, was Connie über Dennis gesagt hat?«, fragte Paula Finn am Abend.
     
    WAS MEINST DU? DASS ER JETZT GLÜCKLICH IST?
     
    »Dass er wiedervereint ist mit seiner Jenni. Glaubst du daran?«
     
    ICH WEISS ES NICHT. ICH MÖCHTE ES SCHON GLAUBEN, DENN DAS WÜRDE BEDEUTEN, DASS ICH EINES TAGES BARNE WIEDERSEHEN WERDE.
     
    »Ja. Wir beide haben diese Hoffnung. Unsere Arme und anderen Wunden zeugen davon. Aber wir beide fragen uns auch, ob jemand, der sich selbst das Leben nimmt, wirklich dorthin kommt.«
     
    WOHIN? IN DEN HIMMEL?
     
    »Ich weiß nicht, ob es einen Himmel und eine Hölle gibt, aber kann es der gleiche Ort sein? Können die Unschuldigen, die wegen eines Unfalls, Krankheit oder Alter von uns gehen, an demselben Ort sein

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