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Weil Ich Euch Liebte

Weil Ich Euch Liebte

Titel: Weil Ich Euch Liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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suchte, doch das Beste, was ihm auf die Schnelle einfiel, war: »Wie bitte – ich – was?«
    »Es gibt eine ganze Latte von Anrufen von Ihnen bei meiner Frau. Entgangene Anrufe. Für mich sieht es danach aus, dass sie die zwar erhalten hat, sie sie aber nicht annehmen wollte.«
    »Es tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Ich meine, sicher, kann schon sein, dass ich hin und wieder einen Grund hatte, Ihre Frau anzurufen, in Zusammenhang mit dem Kurs, wegen Fragen, die sie zu den Aufgaben hatte, aber –«
    »Das ist doch ausgemachter Schwachsinn, Allan«, sagte ich.
    »Ehrlich, Glen, ich –«
    »Eins sollten Sie wissen: Ich habe heute einen sehr, sehr schlechten Tag, und das zufällig in einem sehr, sehr schlechten Monat. Deswegen sollten Sie mir unbedingt glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich überhaupt nicht in der Stimmung für Schwachsinn bin. Warum die vielen Anrufe?«
    Butterfield schien seine Fluchtchancen zu überschlagen. Das Büro war so vollgeräumt, dass er es nie hinter seinem Schreibtisch hervor zur Tür geschafft hätte, ohne über etwas zu stolpern, ehe ich ihm den Weg versperren konnte.
    »Es war ganz und gar meine Schuld«, sagte er mit einem leichten Zittern in der Stimme.
    »Was war Ihre Schuld?«
    »Mein Benehmen, mein Benehmen war unangemessen«, sagte er. »Sheila – Mrs. Garber – sie war sehr, sehr nett. Einfach von Natur aus nett.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich weiß.«
    »Sie war eben … sie war etwas ganz Besonderes. Mit ihr … mit ihr konnte ich reden.«
    Ich sagte nichts.
    »Ich habe eigentlich niemanden, wissen Sie. Ich war nie verheiratet. Einmal, mit Mitte zwanzig, da war ich verlobt, aber es ist nicht gutgegangen.« Er nickte traurig. »Ich glaube, ich war nicht … sie hat gesagt, ich hätte es ein bisschen zu gut gemeint. Egal, ich habe ein Zimmer im ersten Stock eines hübschen alten Hauses in der Park Avenue. Ich habe diesen Job, und ich mag ihn auch und auch die Leute hier, die Kollegen, sie sind nett, aber ich habe kaum Freunde.«
    »Allan, sagen Sie mir einfach –«
    »Bitte. Was ich sagen will: Warmherzigkeit ist etwas, an das ich nicht gewöhnt bin. Ihre Frau war sehr freundlich zu mir.«
    »Wie freundlich?«
    »Eines Abends erwähnte ich im Kurs, dass ich nicht ganz bei der Sache sei, weil meine Tante gerade gestorben sei. Meine Mutter starb, als ich zehn war, und da haben mich meine Tante und mein Onkel aufgenommen. Sie stand mir also sehr nahe. Ich sagte, ich müsse ein bisschen eher Schluss machen, weil ich ein paar Tage bei meinem Onkel verbringen wollte. Selbst in guten Zeiten war er kaum in der Lage, für sich selbst zu sorgen, und jetzt, also ich wollte mich vergewissern, dass er sich nicht völlig gehenließ. Nach der Hälfte der Zeit machen wir immer eine Pause, und anscheinend ist Sheila da in den Supermarkt gegangen. Sie hat mich unauffällig zur Seite genommen und mir eine Tüte mit Kuchen und Bananen und Tee in die Hand gedrückt und gesagt: ›Das sollte für Sie und Ihren Onkel bis morgen früh reichen.‹ Und wissen Sie, was sie noch getan hat? Sie hat sich für den Kuchen entschuldigt. Weil sie ihn gekauft hat. Wenn sie das vorher gewusst hätte, dann hätte sie selbst einen gebacken. Ich war so gerührt. Das war so aufmerksam von ihr. Hat sie Ihnen je davon erzählt?«
    »Nein«, sagte ich. Aber das war typisch Sheila.
    »Es fällt mir sehr schwer, das zu sagen«, fuhr Butterfield fort. »Ich meine, es wird, ich weiß nicht, es wird Ihnen vielleicht merkwürdig vorkommen, aber es hat mich außerordentlich getroffen, dass sie auf einmal nicht mehr da war.«
    »Warum die Anrufe, Allan?«
    Er zog die Brauen zusammen und senkte den Kopf. »Ich habe mich lächerlich gemacht.«
    Ich beschloss, ihm Zeit zu lassen.
    »Ich habe Ihnen ja schon erzählt, dass Sheila und ich einmal nach dem Kurs etwas trinken gegangen sind. Das war alles. Ehrlich. Es war schön, jemanden zu haben, der einem zuhört. Ich erzählte ihr, dass ich als junger Mann Reiseschriftsteller werden wollte. Dass ich davon träumte, die ganze Welt zu bereisen und darüber zu schreiben. Und sie hat zu mir gesagt, sie hat gesagt, wenn es Ihr Traum ist, dann sollten Sie das auch tun. Ich bin vierundvierzig, hab ich zu ihr gesagt. Ich unterrichte hier. Das geht doch nicht. Nehmen Sie sich Urlaub, hat sie gesagt, fahren Sie an einen interessanten Ort und schreiben Sie darüber. Vielleicht können Sie das dann an eine Zeitschrift oder eine Zeitung verkaufen. Kündigen Sie nicht.

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