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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Angus-Cheeseburger gebissen, den sie, wie
er, bestellt hatte, und dabei war Fleischsaft – bräunlich rot und
durchscheinend – auf ihren Handrücken und den Ärmel ihres Pullis gespritzt. Sie
lachte über ihre Ungeschicktheit und säuberte Hand und Pulli mit ihrer Serviette,
und als sie wieder in die Höhe schaute – leicht verlegen diesmal –,
beantwortete sie Mikes Blick mit einem flüchtigen, etwas kläglichen Lächeln,
bevor sie weiteraß.
    Mike vermutete, dass sie ohne Ehemann im Hotel war, denn dass eine
Frau abends allein im Restaurant aß, kam selten vor. Frauen schienen überhaupt
kein Problem damit zu haben, allein zu frühstücken oder zu Mittag zu essen,
aber es kam nur höchst selten vor, dass sie abends ganz allein ausgingen.
    Mike bekam sein Bier und seinen Burger und aß ihn mit Genuss – wobei
es ihm nicht besser erging als der blonden Frau und er sich den Fleischsaft vom
Daumen lecken musste. Das Schreiben schien seinen Appetit zu fördern, er war zu
den Mahlzeiten stets so hungrig, als hätte er gewaltige körperliche
Anstrengungen hinter sich. Als er fertig gegessen hatte, überlegte er, ob er
noch einen Burger bestellen sollte, tat es dann aber nicht. Er bedauerte es
bereits, das rote Fleisch gegessen zu haben, und nahm sich fest vor, es
wenigstens den Rest der Woche zu lassen. Als er schließlich seine Serviette auf
den Tisch legte, wurde es schon laut an den Tischen, wo mehrere Gruppen sich
zur jährlichen Weihnachtsfeier ihrer Firmen eingefunden hatten und tapfer Wein
und Bier zusprachen. Mike erinnerte sich solcher Feiern aus der Zeit in
Hartford und in Avery. Sie hatten oft in allgemeiner Verbrüderung geendet, die
leider nie über Neujahr hinaus Bestand hatte.
    Mike ging in sein Zimmer hinauf, um Handschuhe, Schal und Mütze zu
holen; er glaubte den Gerüchten über die Wirkung des Windes. Er würde den
ganzen Marmorweg bis zu seinem Ende hinuntergehen, dann auf eine breite Straße
mit großen, teilweise winterfest gemachten Sommerhäusern abbiegen. Oben, auf
der Anhöhe, würde er einer stärker befahrenen Straße folgen, einer Straße ohne
Gehwege (obwohl die seiner Meinung nach für ein zivilisiertes Leben, geschweige
denn zur Sicherheit der Kinder, dringend notwendig waren; aber in den Dörfern
von Vermont waren Gehwege eine Seltenheit), und dann zur Hauptstraße zurückkehren
und auf ihr bleiben, bis er wieder am Gasthof ankam. Er hatte einmal
ausgerechnet, dass der Marsch fast fünf Kilometer lang war, kein Marathon, aber
Bewegung genug, fand er. Manchmal, wenn er in Stimmung war, sprintete Mike den
ersten Hang hinauf, um sein Herz in Schwung zu bringen, aber nach einer vollen
Mahlzeit und einem Bier würde er das natürlich nicht tun.
    Die Kälte war schneidend, bald tränten die Augen und die Nase
tropfte, aber er hatte kein Taschentuch und musste sich damit abfinden, dass es
aussah, als weinte er. Seine Wangen brannten, manchmal musste er sich in ganzer
Breite gegen die Windböen stemmen, und seine Augen reagierten so heftig auf die
ständige Reizung, dass er bisweilen kaum etwas sehen konnte und immer wieder
zwinkern musste. Die Straße war breit, mit ganz unterschiedlich gebauten, aber
interessanten Häusern zu beiden Seiten, jedes auf seine Weise sehr
herrschaftlich. Mike fragte sich unwillkürlich, wer sie bewohnte, und wovon die
Bewohner lebten, eine Frage, die ihn jedes Mal beschäftigte, wenn er sich in
Vermont aufhielt. Manche standen so dicht an der Straße, dass es nur ein, zwei
Schritte brauchte, um auf der Schwelle zur Haustür zu stehen, während andere
weit zurückgesetzt am Ende langer Einfahrten standen. Hinter allen erhob sich
ein mächtiger Berg, auf den im Sommer eine befahrbare Piste zum Gipfel
hinaufführte.
    Als er sich wieder einmal die Tränen von den brennenden Wangen
wischte, erkannte er im Licht der Straßenlaternen die Frau, die er kurz vorher
im Restaurant des Gasthofs bemerkt hatte. Sie trug einen schwarzen Daunenmantel
mit Pelzbesatz, einen Schal um den Hals, aber keine Mütze. Er sah sie nur von
hinten, aber er erkannte sie an den Jeans und den Wanderstiefeln, und an den
Briefen, die sie in der herabhängenden Hand trug. Er ging schneller, ganz wie
der Fuchs auf der Spur der Fähe. Er sah sich nicht als räuberisches Männchen,
aber er war sich eines männlichen Reflexes bewusst, der von einem verborgenen
Frauengesicht ausgelöst wurde.
    Sie blieb vor einem Briefkasten stehen, der zu einem der Häuser an
der Straße gehörte, und begann, wie

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